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Ballfitting

Runde Sache

Von Jan Langenbein

Auf dem Markt für Golfbälle ist die Hölle los. Damit du unter all den weißen Kugeln die richtige für dich findest, haben wir drei unterschiedliche Markenphilosophien durchleuchtet.

Es gibt ein paar Kleinteile in jedem Golfbag, die zwar unglaublich wichtig fürs Spiel sind, aus unerfindlichen Gründen aber noch nie die Aufmerksamkeit genossen haben, die ihnen eigentlich zusteht. Die Griffe sind ein klassischer Kandidat dieser Kategorie. Immerhin das Verbindungsstück zwischen Spieler und Spielgerät, braucht es kein Superhirn, um herauszufinden, dass den Griffen eine elementar wichtige Rolle zukommt, wenn es darum geht, das richtige Equipment für den eigenen Schwung zu finden. Der Ball litt jahrzehntelang unter einem ähnlichen Schicksal. Seine Stellung im Spiel ist noch exponierter, schließlich ist er das einzige Teil der Ausrüstung, das bei jedem einzelnen Schlag zum Einsatz kommt. Für Wochenendspieler und Gelegenheitsgolfer bot sich jedoch lange der Eindruck, dass lediglich Profis ins Schlingern geraten, spielen sie den falschen oder zumindest einen ungewohnten Ball. Letztes Opfer dieser Theorie war Rory McIlroy, dessen kurze Formkrise nach seinem Wechsel zu Nike zu erheblichem Teil der veränderten Spin-Rate seines neuen Balls zugeschrieben wurde. Der Beweis, dass Rory auch mit einem neuen Golfball Major gewinnen kann, ist seither erbracht. Akte geschlossen. Doch mittlerweile hat sich auch unter Amateurgolfern herumgesprochen, dass die einfache Formel "Gute Golfer sollten zum teuren Ball einer Marke greifen, für mittelmäßige Spieler tut es auch das Budgetmodell" ein wenig zu simpel ist. Nahezu alle namhaften Ballhersteller betreiben einen großen Aufwand, jedem Max Mustermann aus dem Golfclub Musterstadt zu erklären, welcher Ball aus ihrem Sortiment für seinen Schwung am geeignetsten ist. Golfball-Fitting lautet das neue Zauberwort.

Ballfitting: Schlussspurt: 352 Dimple bei der EndkontrolleBallfitting: Schlussspurt: 352 Dimple bei der Endkontrolle
Schlussspurt: 352 Dimple bei der Endkontrolle

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ALS ALTERNATIVE ZU DEN GLOBALE PLAYERN HABEN SICH 2011 ZWEI MÜNCHNER MIT IHREM LABEL VICE GOLF POSITIONIERT.
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Dass auch der Branchenprimus, der seit der Einführung seines Erfolgsmodells Pro V1 im Jahr 2000 von diesem Ball mehr als 1,2 Milliarden Stück an den Golfer gebracht hat, auf diesen Zug aufgesprungen ist oder besser gesagt als die Lokomotive des Ballfitting-Zugs fungiert, ist wenig verwunderlich. Wer heute einen Titleist-Ball kauft, der weiß, dass er ähnlich wie der Käufer eines VW das technisch fortschrittlichste Produkt auf dem Markt erwirbt. Wie Volkswagen auf dem Automarkt gibt es auch auf dem Gollfballmarkt keinen Konzern, der mehr in Forschung und Entwicklung investiert und über ähnlich ausgereifte Produktionsstätten verfügt. Kein Wunder, dass 59% aller Profisiege in diesem Jahr bisher mit Titleist Bällen erspielt wurden. Titleist betreibt eigene Ballfabriken, einige davon sogar in den USA. Viele anderen Hersteller lassen ihre Bälle von Anbietern in Fernost produzieren, was kein Nachteil sein muss und vielmehr ein Resultat der globalisierten Wirtschaft als das Unvermögen, Bälle nicht selbst herstellen zu können, ist.

Beim Ballfitting für Amateurspieler setzt Titleist darauf, jedem Golfer den optimalen Ball für bessere ergebnisrelevante Schläge zu liefern. Als sogenannte "Scoring Shots" definieren die Titleist-Strate gen Schläge, die ins Grün und um die Grüns herum gespielt werden. Statistisch werden bei einer 70er-Runde 14 Drives, 26 Scoring Shots und 30 Putts gespielt. Eine Runde von 100 Schlägen setzt sich indes aus 14 Drives, 48 Scoring Shots und 38 Putts zusammen. Um bessere Scores zu spielen, muss die Zahl der ergebnisrelevanten Schläge kleiner werden.

Ballfitting: Alter Schwede: kein Ikea-Bällebad, sondern die Titleist-Pro-V1-Fertigung
Alter Schwede: kein Ikea-Bällebad, sondern die Titleist-Pro-V1-Fertigung
Ein Ballfitting bei Titleist kann unterschiedlich ablaufen. Fitting-Veranstaltungen werden von Titleist direkt angeboten, aber auch viele Pros in den Clubs bieten diesen Service bereits an. Wer erst einmal langsam starten möchte, kann sich auf der Titleist-Webseite durch ein paar simple Fragen zum eigenen Spiel klicken, die erhaltenen Ballempfehlungen bei den nächsten Trainingseinheiten und Proberunden testen und so zum optimalen Ball gelangen. Da die Ergebnisse eines solchen Fittings natürlich absolut individuell ausfallen, wären Faustregeln an dieser Stelle blanker Humbug. Einen Irrglauben können wir jedenfalls entkräften: Die Annahme, dass nur gute Spieler mit entsprechend hohen Schwunggeschwindigkeiten zum Pro V1 greifen sollten, ist Blödsinn. Jeder Spieler profitiert davon, den technisch fortschrittlichsten Ball zu spielen; ob er sich das auch leisten will, ist eine andere Frage.

Dieses duale System aus Live-Fitting vor Ort - Termine kennt die Bridgestone-Webseite - und Online-Fitting im Internet als zusätzliches Tool bietet auch Bridgestone Golf an. Mehr als 300.000 Live-Fittings hat Bridgestine weltweit bereits durchgeführt. In Deutschland werden jedes Jahr über 100 Ballfitting Termine angeboten. Das Online-Fitting von Bridgestone setzt voll auf die Performance eines Spielers vom Tee zum Grün wobei dem dem Driver hierbei eine gewichtige Rolle zukommt, da Back- und Sidespin beim Driver entscheidenden Einfluss auf die Flugkurve haben. Entsprechend vielschichtig sind die Fragen, die jeder Golfer hier beantworten muss, um eine fundierte Ballempfehlung zu bekommen. Diese Fragen reichen vom bisher genutzten Ball über das Alter, den Durchschnitts-Score bis hin zur häufigsten Flugkurve. Cracks können die Webseite sogar mit den genauen Daten ihrer letzten Trackman-Session füttern und schon verrät Bridgestone Testimonial David Feherty den Namen des seiner Meinung nach passenden Balls. Die acht verschiedenen Ballmodelle, die Bridgestone zurzeit anbietet, teilen sich in die höherpreisigen Tour-B330-Modelle und die preiswerteren, auf Distanz optimierten Bälle der E-Serie auf. Diese philosophische Entscheidung nimmt dir "Dr. Feherty" zwar ebenfalls ab, wie bei jedem anderen Ballhersteller solltest du aber auch hier in dich hineinhorchen und überlegen, welcher Spielertyp du bist.

Ballfitting: Ingo Düllmann und Rainer Stöckel, die Gründer von Vice Golf
Ingo Düllmann und Rainer Stöckel, die Gründer von Vice Golf
Als Alternative zu den Global Playern haben sich 2011 zwei Jungs aus München mit ihrem Label Vice Golf positioniert. Die Tatsache, dass Vice der offizielle Ball der Deutschen Golf Liga ist, zeigt, dass das einst kleine Startup mittlerweile im Golf-Establishment angekommen ist. Möglichkeiten für ein Ballfitting sucht man bei Vice vergebens, dafür können die Münchner ein ganz anderes Argument für ihre Bälle auffahren: den Preis. Da Vice-Bälle ausschließlich über die firmeneigene Webseite bestellt werden können, wird der gesamte Zwischenhandel eingespart. Für den Golfballmarkt sind die Vice-Macher also so etwas Ähnliches, was Floyd Mayweather für das Boxen ist - nur um Galaxien sympathischer, schließlich schlagen sie keine Frauen und geben den Preisvorteil ihrer Vertriebsmethode an die Golfer weiter. Auch der "Money" Mayweather lässt nur seinen innersten Zirkel sein Produkt vermarkten, gibt die Ersparnis, den diese Philosophie mit sich bringt, aber nicht an den Endkunden weiter, sondern kauft sich lieber den 34. Ferrari.

Rückschlüsse auf die Qualität der Vice-Bälle lässt ihr Preis auf keinen Fall zu. Zwar liegt das Budget für Forschung und Entwicklung der deutschen Ballbauer nur bei einem Bruchteil verglichen mit dem der weltweit führenden Marken, hergestellt werden die Vice-Bälle allerdings in denselben Fertigungsanlagen in Taiwan, die auch einen Großteil der weißen Murmeln vieler anderer Hersteller ausspucken. Solltest du immer noch Zweifel haben: Der Vice Pro wurde von "Golf Digest" in der "Hot List 2015" mit Gold ausgezeichnet und spielt damit ab sofort in der Liga der Großen.

 
Vice Pro

Vice Pro

Das Topmodell der deutschen Ballbauer wird wie die meisten Golfbälle auch in Taiwan gefertigt. Der Pro+ ist ein in vier verschiedenen Schichten aufgebauter Multilayer-Ball und verfügt über einen Cast-Urethan-Mantel. Die Geissens machen zwar keine Werbung für Vice Golf, doch auch hier gilt: Je mehr Bälle du in den Warenkorb packst, umso mehr sparst du.

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