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Tony Finau: seit 2016 Nike Staff Player. Mit Nike-Equipment konnte er bisher einen Toursieg feiern

Nike Exit

Game Over

Von Dan Owen, Fotos: Getty Images/Nike

Als die Autoindustrie Detroit verließ, blieb nichts außer brennende Mülltonnen und vernagelte Häuserfassaden. Kann Nikes Rückzug aus der Golfwelt eine ähnliche Apokalypse heraufbeschwören oder liegt in der Business-Meldung des Jahres sogar eine Chance für den Golfsport, endlich richtig gesund zu werden?

Es scheint, als würde sich 2016 zum echten Annus horribilis für den Golfsport entwickeln. Topstars schwänzen die Olympischen Spiele. Keiner der sogenannten Big Three konnte ein Major gewinnen. TaylorMade wurde von Adidas den Wölfen zum Fraß vorgeworfen und ist nun für den Höchstbietenden erhältlich. Tiger Woods trat 2016 kein einziges Mal bei einem Turnier ans Tee und dann kam die Pressemitteilung von Nike.

Ich war immer davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis Nike die Nummer eins im Golfsport werden würde. Wenn sich der Riese aus Oregon ein Ziel setzt, sagt er sich schließlich nur: "Just do it!", und die Sache ist dank eines gigantischen Marketingbudgets geritzt, oder? Also nahm man den besten Golfer seiner Generation unter Vertrag und baute den nötigen Golfapparat um ihn herum. In den folgenden Jahren wurden großartige Schläger und weniger großartige Schläger in die Pro-Shops gestellt. Die Major-Titel begannen, sich zu stapeln, und dafür war nicht nur der Häuptling des Teams verantwortlich. Als Tigers Stern sich der unausweichlichen Supernova näherte, sorgte man mit dicken Geldbündeln dafür, dass Rory McIlroy nun die Show übernehmen würde. Doch dann kam die erste Augustwoche 2016 und das Undenkbare geschah: Nike kündigte an, sich aus dem Golf-Hardware-Business zurückzuziehen.

Nike Exit: Michelle Wie: seit 2005 Nike Staff Player. Ihr erstes Major gewann sie 2014 mit den US Women's Open (r.)Nike Exit: Michelle Wie: seit 2005 Nike Staff Player. Ihr erstes Major gewann sie 2014 mit den US Women's Open (r.)
Michelle Wie: seit 2005 Nike Staff Player. Ihr erstes Major gewann sie 2014 mit den US Women's Open (r.)

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ALS TIGERS STERN SICH DER SUPERNOVA NÄHERTE, SORGTE MAN MIT DICKEN GELDBÜNDELN DAFÜR, DASS RORY DIE SHOW NUN ÜBERNEHMEN WÜRDE.
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Der Zeitpunkt hätte kaum ungünstiger sein können und die Konsequenzen für die Golfwelt werden weitreichend sein. Kurzfristig wird sich die Frage stellen, womit Tiger, Rory und der Rest des ehemaligen Nike-Teams nun bald abschlagen werden, und darüber hinaus kann noch niemand absehen, wie dieser "Nexit" sich auf den Golfmarkt und seine Big Player auswirken wird. Die Einzigen, die von Nikes Geschäftsentscheidung denkbar wenig betroffen sein werden, sind wir Amateurgolfer, denn sicher ist, dass wir auch in Zukunft aus einer Menge großartiger Marken, ihrer Schläger und Bälle auswählen können. Nur den Swoosh werden wir auf unseren Drivern, Eisen oder Putter vergeblich suchen.

Nikes Rückzug aus dem Golfmarkt wurde mit chirurgischer Präzision abgewickelt. Was wir beobachten konnten, war kein langsamer Tod, sondern eine kurze und kaltblütige Exekution. Sie ist das Epizentrum eines Bebens, das die Golfindustrie mächtig durcheinanderwirbeln wird. Angefangen von den unweigerlichen Jobverlusten über neue Ausrüsterverträge, die es zu verhandeln gilt, bis zur Geburt neuer Marken ist alles möglich. Es gibt also keinen besseren Zeitpunkt, einmal einen Blick in die Kristallkugel zu wagen.

Nike Exit: Tiger Woods: seit 1996 Nike Staff Player. Sein erster Vertrag über fünf Jahre war mit 40 Millionen Dollar dotiert.Nike Exit: Tiger Woods: seit 1996 Nike Staff Player. Sein erster Vertrag über fünf Jahre war mit 40 Millionen Dollar dotiert.
Tiger Woods: seit 1996 Nike Staff Player. Sein erster Vertrag über fünf Jahre war mit 40 Millionen Dollar dotiert.
Alle Profis, die 2016 mit Nike-Schlägern im Bag auf der Tour angetreten sind, werden sich je nach Laufzeit ihrer Verträge recht bald nach einem neuen Ausrüster umschauen müssen. Die dicksten Fische, die nun wieder zurück in den Teich geworfen werden, sind ohne Zweifel Tiger Woods und Rory McIlroy. Mit welcher Marke werden sie in Zukunft auf Titeljagd gehen? Zum jetzigen Zeitpunkt wissen sie das wahrscheinlich selbst noch nicht. Rory spielte während seiner Zeit als Amateur und auch während der ersten Profijahre Titleist-Equipment. Sein Wechsel zu Nike verlief alles andere als reibungslos und schlug sich auch auf seine Leistungen nieder. Auch wenn Titleist bekannt dafür ist, keine extraordinären Summen für seine Tourspieler auszugeben, ist es doch denkbar, dass Rory wieder nach Hause zurückkehrt. Schließlich befindet er sich in einer Phase seiner Karriere, in der Geld hinter möglichen Titelgewinnen eine untergeordnete Rolle spielen sollte.

Tiger dagegen spielte während seiner Amateurzeit mit Schlägern von Ping, Cobra und Mizuno und hatte zeitweise auch Cleveland-Wedges im Bag. Nach dem Wechsel ins Profilager fanden dann nur noch Titleist-Schläger den Weg in seine Tasche und mit seinen unglaublichen Erfolgen sorgte Tiger ganz nebenbei auch dafür, dass Scotty Cameron zur Marktmacht wurde, die er heute ist. Tiger Woods hätte jedoch auch die weltweite Strahlkraft, einen ganz anderen Weg zu gehen. Was haben Ben Hogan, Jack Nicklaus und Arnold Palmer gemeinsam? Sie alle hatten einmal eine Schlägermarke unter ihrem eigenen Namen auf dem Markt. Wer könnte also mit Sicherheit sagen, dass Tiger nicht auch mit dem Gedanken spielt, eine eigene Marke an den Start zu bringen? Nikes erfolgreichste Sub-Marke Jordan macht erfolgreich vor, wie so etwas funktionieren kann. Michael Jordan ist eine Ikone. Er war der Beste seines Sports und seine Sneakers verkaufen sich heute noch wie geschnitten Brot. Als eigenständige Marke bringt Jordan sogar in Kleinserie Golfschuhe auf den Markt.

Nike Exit: Brooks Koepka: wechselte 2016 gemeinsam mit 13 anderen Pros zu Nike
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Mit Golfschlägern tat man sich bei Nike immer schwer, wenn versucht wurde, zu viel der "Just do it!"-Attitüde in einzelne Produkte zu pressen: viereckige Driver, Hölzer mit Cavity Back, rote, blaue und giftgrüne Schlägerköpfe. Als GolfPunks sind wir immer dafür, gegen den Strom zu schwimmen, das Produkt sollte dann jedoch auch spürbar besser sein als sämtliche Konkurrenz, und das war bei Nike nicht immer der Fall. Wann immer man sich bei Nike dazu entschloss, die Schläger simpel zu halten, stellte sich der Erfolg ein: die ersten Blades, mit denen David Duval die Open Championship 2001 gewann, die grandiosen Tour-Method-Putter, mit denen Tiger und Rory spielen, oder der VR Driver, mit dem Jhonattan Vegas erst vor Kurzem schlappe sechs Jahre nach seiner Markteinführung die Canadian Open gewann.

Ich konnte Nike-Tour-Wedges auf Profiturnieren ausfindig machen und das waren die wohl coolsten Wedges, die ich jemals gesehen habe. Leider waren diese stylishen Designs nicht das, was später für Otto Normalgolfer in den Pro-Shops stand. Wie auch Jordan wäre eine kleinere Tiger-Marke deutlich manövrierfähiger, was die Designs der eigenen Produkte angeht, als ein globales Dickschiff wie Nike. Bedenkt man, wie viel Aufmerksamkeit PXG seit ihrem Markteinstieg bekommen haben, ist es kaum vorstellbar, welche Wellen eine Golfschlägermarke, deren Inhaber Tiger Woods hieße, schlagen würde.

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