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Augusta, No 12, 141 Meter

Vom Winde verweht

Von Rudi Schaarschmidt, Fotos: Getty Images

Die besten Golfer der Welt beißen sich an diesem kurzen Par 3 regelmäßig die Zähne aus, so tricky sind hier die Windverhältnisse. Damit ist jetzt Schluss, sagen zwei Wissenschaftler, die sich darangemacht haben, des Golfers größten Feind zu decodieren.

Der Wind, das himmlische Kind, treibt nicht nur Amateure, sondern auch die Besten der Branche regelmäßig zur Verzweiflung. Bestes Beispiel: das 12. Loch in Augusta. "Golden Bell" gilt als die verrücktesten 141 Meter des Golfsports, weil die Stars der Branche den Einfluss des Windes in schöner Regelmäßigkeit falsch diagnostizieren und ihre Bälle hinter das Grün wahlweise in den Bunker oder ins Gehölz knallen. Oder ihre Kugeln dramatisch zu kurz lassen und entweder im Bunker oder gar in Rae's Creek versenken. Das brachte Professor Rajat Mittal und Dr. Neda Yaghoobian (Spezialgebiet: Mikroklima sowie atmosphärische Strömungsforschung) von der Johns Hopkins Universität in Baltimore auf die Idee, diesem Mysterium auf den Grund zu gehen.

Um die Windverhältnisse einzuschätzen, werfen Golfer oftmals Grashalme in die Luft. Die beiden Wissenschaftler und Aerodynamikexperten haben dagegen wissenschaftliche Daten verarbeitet. Zusätzlich zu den lokalen Wetter- und Winddaten haben sie Informationen über die Topografie und die Flora des Lochs zusammengetragen und mithilfe der im Flugzeug- und Automobilbau etablierten Software CFD (Computational Fluid Dynamics) die Schläge ausgewertet. Die Flugkurve des Balls bleibt bei nahezu allen Schlägen mit dem an diesem Loch meist gewählten Eisen 9 unterhalb der bis zu 30 Meter hohen Baumkronen, die das Grün einrahmen und für schwer kalkulierbare Strömungen sorgen. Ergebnis: Bläst der Wind aus westlichen Richtungen, ist die Gefahr, sich zu vertun, besonders groß. Heißt für die Pros in diesem Fall: nicht aggressiv auf die Fahne zielen, sondern den sicheren Grüntreffer bevorzugen. "Eine derartige Analysequalität, um den Windeinfluss auf die Flugbahn des Balls vorhersehbarer zu machen, gibt es für Golfer bislang noch nicht. Mit unserer Forschung haben wir demonstrieren können, dass es durchaus möglich ist, diesbezüglich recht präzise Vorhersagen für jedes Golfloch generieren zu können", meint Mittal. Vor dem Masters 2016 hat sich allerdings keiner der Teilnehmer beim 49-jährigen Inder gemeldet, um einen tieferen Einblick in die Ergebnisse zu bekommen.

Mittal und Yaghoobian haben sich ihre Arbeit schon mal patentieren lassen. Im Idealfall entsteht daraus eine Wind-App für Golfplätze. "Die Wetter- und Windvorhersagen sind in Bezug auf Richtung und Geschwindigkeit für 24 Stunden im Voraus ziemlich verlässlich", sagt Mittal, der sich selbst als Freizeitgolfer versteht und an guten Tagen eine 80 schiessen kann. "Somit kann man für verschiedene Windbedingungen gewis- se Einflussmuster auf den Flug des Golfballs aufzeigen, die hilfreich bei Wahl des Schlägers, der Schwungdosierung und der Flugkurve sein können - sozusagen ein Wind-Danger-Index." Eine verlässliche Informationsquelle für jeden einzelnen Schlag kann die Forschungsarbeit freilich nicht bieten, dafür ist der Wind zu wankelmütig. Die beiden Windflüsterer sehen für ihr Produkt drei Zielgruppen: Pros, Golfplatzarchitekten und Golf-Kommentatoren.

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