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Jetzt auch beim Golf: Nicht nur Motocrosser kämpfen mit Arm-Pump

Masters 2017

Na, endlich!

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Aller guten Dinge sind 74! Sergio García gewinnt in Augusta den heiß ersehnten ersten Major-Titel und sogar die amerikanischen Fans sind damit einverstanden.

Natürlich konnte Sergio Garcías erster Major-Sieg - es klingt immer noch komisch - nicht einfach so geschehen. Es konnte kein entspannter Start-Ziel-Sieg bei der PGA Championship sein. Es musste das ganz große Drama sein. Augusta - Schluss-Flight - Putt zum Sieg versemmelt - Play-off! Das waren die Zutaten, die es für einen standesgemäßen Major-Sieg des Spaniers brauchte. Und als er dann nach getaner Arbeit auf dem Putting-Grün des Augusta National Golf Club darauf wartete, dass Vorjahressieger Danny Willett ihm nun endlich das Grüne Jackett überstreifen würde, konnte er das Ende der Rede von Chairman Billy Payne kaum abwarten. Sergio trommelte auf den Armlehnen seiner Sitzgelegenheit wie ein Zwölfjähriger, der sich auf seinen ersten Schlagzeugunterricht freut. Doch seinem Grinsen war in dieser Situation deutlich anzusehen, dass es nicht nur aus purer Freude gespeist wurde, sondern auch aus der mittlerweile eintretenden Erkenntnis, dass sein Leben künftig ein ganzes Stück leichter würde. "Sollte es nicht mehr klappen mit einem Major-Sieg, kann ich damit gut leben", sinnierte García letztes Jahr in einem TV-Interview und klang dabei resignierend. Seine Gesichtszüge entlarvten diese Aussage jedoch als Lüge. Ein Wettkämpfer vom Kaliber eines Sergio García könnte niemals damit leben, die Schläger an den Nagel zu hängen, ohne nicht zumindest einmal den höchsten Berg des Golfsports erklommen zu haben.

Zehn Jahre vor seinem Sieg in Augusta hatte er bei der Open Championship in Carnoustie auf dem letzten Grün eine exzellente Chance, endlich einen großen Titel zu gewinnen. Im schottischen Mistwetter spiele García einen guten Putt, der einmal kurz ins Loch schaute, dann aber beschloss, doch nicht zu fallen. Sein erster Eisenschlag im darauf folgenden Play-off gegen Padraig Harrington landete im Bunker und die Weichen in Richtung nächster herzzerreißender Niederlage waren gestellt.

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SOLLTE ES NICHT MEHR KLAPPEN MIT EINEM MAJOR-SIEG, KANN ICH DAMIT GUT LEBEN.
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Zurück in die Gegenwart: Als Sergios zu aggressiver Drive auf der 13 links von Fairway und Rae's Creek in einem Busch landete und sein Gegner Justin Rose mit zwei Schlägen Vorsprung beobachtete, wie der Spanier einen Strafschlag notieren musste, schien das, was da weltweit über die Fernsehschirme flimmerte, wie das x-te Remake eines schon oft gesehenen Klassikers. "Sergio hat einfach nicht die Nerven für diese Situationen", murmelten die Zuschauer im Amen Corner und selbst Justin Rose gab nach der Runde zu, dass er in dieser Situation sicher war, "das Turnier unter Kontrolle zu haben".

Doch diesmal stemmte García sich gegen die drohende Niederlage und erkämpfte sich am Ausgang des Amen Corner noch ein Par, auf das selbst der König der Scrambler Seve Ballesteros, der an diesem Sonntag seinen 60. Geburtstag gefeiert hätte, stolz gewesen wäre. Er war zu zufrieden mit seinem eigenen Spiel, zu selbstsicher, um sich von einem unglücklichen Schlag aus der Ruhe bringen zu lassen: "Ich habe auf der 13 einen guten Drive gespielt. Es war derselbe Schlag wie an den Tagen zuvor: ein hoher Cut. Dieses Mal ist er aber leider drei Meter weiter links geflogen und hat einen Baum erwischt." Das Lamentieren überließ er in dieser Situation seinem Caddie.

Der Rest des Starterfelds war zu dem Zeitpunkt längst zu Statisten degradiert worden. Rickie Fowler und Jordan Spieth hatten kollektiv den falschen Tag erwischt, Adam Scott verabschiedete sich am Wasserhindernis der 15 und Martin Kaymer brannte auf den Back Nine zwar ein Birdie-Feuerwerk für die Geschichtsbücher ab, doch sein Rückstand war seit der ersten Runde bereits viel zu groß. Die Finalrunde des Masters 2017 war ein Matchplay-Event zwischen zwei europäischen Ryder-Cup-Helden, die sich mindestens so sehr respektieren, wie sich ihre Stile unterscheiden. Auf der einen Seite der Golfroboter, die Menschmaschine Justin Rose, die, wenn sie Betriebstemperatur erreicht hat, kaum zu stoppen ist, und auf der anderen der intuitive Gefühlsspieler Sergio García, dessen fragiles Nervenkostüm ihm schon viel zu oft einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.

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Beim Ryder Cup war dieses Nervenflattern allerdings stets wie weggeblasen und so erinnerte sich García nach einem 315 Meter weit gehämmerten Drive am 15. Loch daran, dass es sich hier und heute zwar um ein Major und damit sein Kryptonit handelte, aber gleichzeitig auch um ein Mann-gegen-Mann Duell. Und darin macht dem Spanier so schnell keiner etwas vor. Auch kein US-Open- und Olympiasieger, denn García schlug sein Eisen aus 162 Metern um ein Haar zum Double Eagle und lochte seinen Putt wenig später zum Eagle. 452 Löcher hatte er bis zu diesem Zeitpunkt beim Masters gespielt, ohne ein Eagle auf die Scorekarte notieren zu können.

Die Wende im Match war geschafft, das Drama allerdings noch lange nicht beendet. Noch ein letztes Mal musste der Sergio, den die Golfwelt aus Carnoustie 2007 nur zu gut kennt, seinen Kopf durch die Tür strecken und einen kurzen Putt zum ersten Major-Sieg am Loch vorbeischieben. 73-mal war Sergio García bis zu diesem Sonntag erfolglos bei Major-Turnieren angetreten, doch wie er spät am Abend in der Pressekonferenz erzählte, fühlte sich das 74. Mal anders an. "Bereits während der Fahrt zur Anlage heute Morgen war ich erstaunlich ruhig und gefasst - wahrscheinlich ruhiger als vor jeder anderen Major-Finalrunde meiner bisherigen Karriere. Auch nach dem vergebenen Putt auf der 18 war ich völlig ruhig. Dreimal brach dieser Putt in der Woche nach links. Heute tat er das nicht. Ich habe keine Ahnung warum, aber ich wusste, dass ich einen guten Putt gespielt habe."

Der wirklich formidable Putt folgte dann wenig später an gleicher Stelle im Play-off. Ganz im Stile von Phil Mickelson 2004 ließ García seinen finalen Putt als "Major-Loser" mit viel Break das Grün hinunterrollen, bevor er den äußersten Rand der Lochkante erwischte, und die Menge flippte aus. Keine Spur mehr von den Sticheleien und fiesen Sprüchen, die sich García so viele Jahre bei Turnieren in den USA hatte anhören müssen.

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"Bester Spieler ohne Major-Sieg" war das Label, das Sergio García seit mehr als einem Jahrzehnt anhaftete. Dieser ätzende Titel wurde beim Masters 2017 an Lee Westwood weitergegeben, der es bei 76 Major-Teilnahmen bisher auf 18 Top-Ten-Ergebnisse brachte. Wie das Masters 2017 zeigt, gibt es aber auch für solche scheinbar aussichtslosen Fälle noch Hoffnung. Sergio Garcías Bilanz lautete bis zum heutigen Tage schließlich 73 Major-Turniere, 22 Top-Ten-Platzierungen und kein Sieg.

 

Leaderbord

PosNameLandR1R2R3R4TotalPar
1GARCIA, SergioESP71697069279-9
T2ROSE, JustinENG71726769279-9
T2SCHWARTZEL, CharlRSA74726868282-6
T4KUCHAR, MattUSA72737167283-5
T4PIETERS, ThomasBEL72737168284-5
T4CASEY, PaulENG72756968284-4
T7CHAPPELL, KevinUSA71767068285-3
T7MCILROY, RoryENG72737169285-3
T7SCOTT, AdamAUS75696973286-2
T10MOORE, RyanUSA74696974286-2
T10MATSUYAMA, HidekiJPN76707468287-1
T10HENLEY, RussellUSA71767169287-1
T10KOEPKA, BrooksUSA74737169287-1
T10FOWLER, RickieUSA73677176287-1

Justin Rose machte währenddessen keinen Hehl aus seiner Gefühlslage. "Natürlich bin ich enttäuscht, denn ich habe großartig gespielt. Ich bin mir aber auch sicher, dass ich dieses Turnier eines Tages noch gewinnen werde. Um hier nicht als Sieger vom Platz zu gehen, gefällt mir das Turnier einfach viel zu gut", gab er zu Protokoll, als die Sonne über dem Augusta National Golf Club längst hinter den majestätischen Pinien abgetaucht war, und machte dabei ein Gesicht, als würde er die Vorspultaste seines Festplattenrekorders suchen.

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