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Schwinger Club Vol. 1

Turntable Rocker

Von Jan Langenbein, Fotos: KIKE

Eins: Thomilla und Michi Beck haben ein gemeinsames Album am Start. Zwei: An den Plattentellern sind beide weitaus kompetenter als auf dem Golfplatz.

Gestern Abend waren wir bei ,TV total', das neue Album präsentieren", erzählt Michi Beck, als er zusammen mit Turntablerocker-Kollege Thomilla am Golfclub Prenden ankommt. "Was meint ihr? Wie lange werden wir heute brauchen?" Bei solch einer Frage gleich zu Beginn läuft es einem als Interviewer kalt den Rücken runter, sie bedeutet gemeinhin nichts Gutes: Entweder hat das Objekt der Begierde tatsächlich keine Zeit oder einfach keine Lust. Doch Thomilla erklärt sofort: "Keine Bange, wir haben massig Zeit. Wenn wir aber schon mal hier sind, wollen wir später mit ein paar Kumpels zocken. Auf wie viel Uhr sollen wir sie hierher bestellen?" Traumhaft! Binnen weniger Sekunden fühlen wir uns den Kollegen, die endlose PR-Marathons mit suboptimal gelaunten Musikern oder Schauspielern in anonymen Hotels absolvieren müssen, um Lichtjahre voraus. Notiz an uns selbst: Interviews in Zukunft immer auf dem Golfplatz vereinbaren und jeder ist bester Laune. Willkommen zur ersten Folge des GolfPunk Schwinger Club!

Kaum zu glauben, aber es ist tatsächlich schon zehn Jahre her, seit die Turntablerocker einen Maulwurf in den Straßen Kapstadts auf einer speckigen Wanderklampfe zupfen ließen und wir alle dazu unsere Popos bewegten. "Classic" und "Smile" hießen diese beiden Alben, die 2001 und 2002 Partys in allen Ecken der Republik in Bewegung brachten. Natürlich ist Thomilla als DJ schwer gefragt und Michi Beck mit einer nicht ganz unbedeutenden Band namens Die Fantastischen Vier auch gerne mal beschäftigt, aber im Ernst: zehn Jahre? Warum hat das so lange gedauert, bis das neue Album "einszwei" erschien?

Schwinger Club Vol. 1: Unglück im Unglück: Wenn der Blindenhund verstecken spieltSchwinger Club Vol. 1: Unglück im Unglück: Wenn der Blindenhund verstecken spielt
Unglück im Unglück: Wenn der Blindenhund verstecken spielt

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UNSERE MUSIK? ELECTRONIC WILDSTYLE. UNSER GOLF? EINDEUTIG AUSBAUFÄHIG!
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"Uns kam diese Pause ehrlich gesagt nicht so lange vor, geplant war sie jedenfalls nicht", erklärt Michi. "Nach der letzten Platte 2002 bin ich mit unserem damaligen Label Four Music nach Berlin gezogen. Thomilla ist 2005 mit seinem gesamten Studio nachgekommen. Im ersten Studio in Berlin hat es nicht gefunzt, wir mussten also ein neues suchen. Schon wieder war ein Jahr weg. 2006 haben wir im neuen Studio erste Remixe gemacht. Wir hatte zu der Zeit Four Music bereits verkauft, waren also vertragsfrei, was sehr angenehm war. 2007 ging es dann mit ,Fornika', dem vorletzten Fanta-4- Album, los. Zu dieser Zeit haben wir beide aber schon eine Menge produziert. Dann war bereits 2009 und die nächste Fanta-4- Produktion folgte. Irgendwie war nie genügend Raum für ein Turntablerocker-Album. Bis jetzt!" Zehn Jahre Musikerleben im Fast- Forward-Modus.

Das Warten hat sich gelohnt. Der Sound von "einszwei" ist im Vergleich zu seinen Vorgängern cleaner und deutlich reduzierter geworden. Der Umzug nach Berlin hat sich auch in der Musik niedergeschlagen, ganz zu schweigen von der bedeutendsten Neuerung: die Texte. "Deutsche Texte waren für uns als Club-Act ein Wagnis, denn zu deutschen Texten wird selten getanzt." Aber Michi Becks Sorge darüber ist längst verflogen. Zeilen wie "Lass es mich noch einmal spüren/ Lass es ewig weitergehn" aus der ersten Single "Von vorn" werden unter Garantie die Tanzflächen füllen. Produziert wurde "einszwei" zwar größtenteils in Berlin, aber auch in Köln, in Thomas Ds Kommune MARS in der Eifel und auch auf Ibiza schlugen die beiden ihre Zelte auf, um dem Album den finalen Schliff zu geben.

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Während einer Albumproduktionsphase wie im vergangenen Jahr finden die beiden nur viel zu selten die Zeit, raus auf den Golfplatz zu fahren. "Wenn wir nicht an einer konkreten Produktion arbeiten, sondern lediglich ab und an einen Track basteln, gehen wir gerne raus, um auf dem Platz ein wenig Zerstreuung zu finden", erklärt Michi Beck. Wie oft das tatsächlich der Fall ist, beantwortet Thomilla versteckt zwischen den Zeilen, als ich wissen will, wie sich der Golfstil zum Musikstil der beiden verhält: "Unseren Musikstil haben wir einmal als Electronic Wild Style bezeichnet. Das trifft auch immer noch zu. Unser Golfstil dagegen ist definitiv ausbaufähig." Und Kollege Beck fügt hinzu: "Unsere musikalischen Skills halten wir für empfehlenswerter als unsere Golf-Skills."

Das hat auch niemand anders erwartet, denn würden ihre Golf-Skills ans musikalische Talent heranreichen, hätten die beiden im Jugendalter eine knifflige Karriereentscheidung treffen müssen. Los mit dem Golfspielen ging es mit dem Umzug nach Berlin. "Als ich 2005 hierher kam, war Michi mit Kumpeln schon auf der Suche nach einer Homebase für das neue Hobby. Wir haben dann Prenden entdeckt und es konnte losgehen. Wenn ich richtig überlege, lag es vielleicht sogar am Golfspielen, dass es so lange gedauert hat, bis ein neues Album kam." "Ja, genau", lacht Michi Beck, "dann kam erst mal sieben Jahre Golfen. Davon ist aber nix zu sehen, Thomilla."

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Die Frage nach dem bisherigen Höhepunkt der Golfkarriere bringt keine eindeutige Antwort. Michi Beck hat keine Zweifel: "Ich habe bisher nur ein einziges Birdie gespielt und das auch noch in Gleneagles. Nach diesem Loch wurde es zwar wieder grauenhaft, aber immerhin!" Thomilla dagegen schwebt etwas anderes vor: "Nein, das war ein Martini-Turnier hier im Club. Man hatte auf jedem Loch die Möglichkeit, Schläge von der Scorekarte zu trinken. Irgendwann wurden die Zahlen allerdings astronomisch. Ein Teufelskreis!" Von Martini Dry mixenden Mädels ist hier und heute leider nichts zu sehen und auch die zum Zock eingeladenen Kollegen werden nach zwei Stunden Photoshooting im immer noch frostigen Märzwind schnell wieder ausgeladen. Kein Risiko eingehen, schließlich steht eine Tour auf dem Programm.

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