Sein Freund Dieter Rüdig muss Neururer mehrfach mit Herzmassagen wiederbeleben. Er liegt einige Tage im Koma. Erinnerungen daran hat er keine. "Ich hatte Glück, dass es an der 17 passiert ist. Da konnte schnell Hilfe kommen. An manch anderem Loch wäre es mein Tod gewesen", blickt er zurück. Das Ende seiner Trainerkarriere? Natürlich nicht. Er war und ist ein Stehaufmännchen. Lediglich mit dem Rauchen hat er aufgehört. Aus der Reha ist er vorzeitig abgehauen ("fast noch mit den Schläuchen im Arm"), direkt ans 17. Loch seines Golfclubs und hat dort zwei Bälle gespielt. Zwei Birdies. Trauma abgehakt.
Peter Neururer hat eine feste Überzeugung: Peter Neururer. Dazu passt die Geschichte, wie er zum Golfsport gekommen ist. Bevor er 1998 mit dem 1. FC Köln im Trainingslager an der Algarve war, kurz vor einem Tour-Event, für den unter anderem Greg Norman vor Ort die Werbetrommel rührte, hatte er noch nie einen Schläger in der Hand gehabt und sich gesagt: "Den Quatsch mache ich, wenn ich 80 bin." Also bot ihm Norman die Wette an, dass er mit seinem ersten Schlagversuch sicher keine 100 Meter weit käme, egal in welche Richtung. Neururer hackte den Ball rechts in den Zaun, aber 100 Meter weit - Wette gewonnen. Den nächsten hackte er links in den Zaun, wieder 100 Meter weit. "Unbelievable", meinte der australische Golfprofi, und dass er ihm jetzt zeigen wollte, wie es richtig ginge. Da kannte er aber Neururer schlecht. Der war sich sicher, dass nach links und rechts geradeaus folgen müsste. Und so war es.
»Ich hatte Glück, dass es an der 17 passiert ist. Da konnte schnell Hilfe kommen. An manch anderem Loch wäre es mein Tod gewesen.«
Mittlerweile sei sein Schwung völlig verbaut. "Wenn ich heute meinen Schwung sehe, denke ich direkt an die Paralympics", scherzt der Autodidakt. Kein Wunder, dass er in der Fußballbranche als Sprücheklopfer verschrien ist. "Im Erfolgsfall wirst du als Motivationskünstler bezeichnet, anderenfalls bist du der Pausenclown", weiß der diplomierte Sportwissenschaftler um seine Außenwirkung. Neururer polarisiert. Seine Bonmots, die er während seiner mittlerweile 15 Trainerstationen im Profifußball abgelassen hat, kann man googlen.
Viele Fußballjournalisten betrachten die Ruhrpott-Schnodderschnauze in der modernen Zeit der Konzepttrainer als Relikt. Mit allerhand Erfolgen. Mit dem 1. FC Saarbrücken in die Fußball-Bundesliga aufzusteigen (1992), auf die Idee muss man erst mal kommen... Den FC Schalke 04 1989 vor dem Abstieg aus der 2. Liga zu bewahren brachte ihm ewige Dankbarkeit aller Königsblauen. Mit dem VfL Bochum zuerst in die Bundesliga aufzusteigen (2003) und dann sogar in den UEFA-Pokal einzuziehen - dagegen ist jede Mission Impossible von Tom Cruise ein Kinderspiel. Und erst in diesem Jahr hatten die Bochumer seiner Erfahrung von knapp 600 Spielen als Profitrainer den Klassenerhalt zu verdanken.
Peter Neururer macht gerne Harley-Touren. Und ist in jeder Fußball-Talkshow ein willkommener Entertainer. Aber er versucht, weder Rocker noch TV-Star zu sein. Er will sich kein Image zulegen. Er ist Peter Neururer. Authentisch, uneitel, sympathisch, geradlinig, Familienmensch, mit sich und seinem Leben im Reinen. Was andere über ihn sagen oder denken, ist ihm wurscht. Also macht er im Stadion einen "Moonwalk für Arme", wenn ihm danach ist. Oder er lässt sich nach dem geglückten Klassenerhalt mit Bochum vor laufenden Kameras die Haare blau färben. Nach dem Motto: Na und? Wer sich dran stört, ist selbst schuld. Er kann es sich leisten, hat ausgesorgt. In den zwei Jahren ohne Trainerjob hat er das Angebot, Nationaltrainer im Iran zu werden, ausgeschlagen, trotz einer Jahresgage von 4,5 Millionen Euro netto. Und als er bei Verhandlungen in Saudi-Arabien erfuhr, dass seine Frau nicht ins Stadion dürfte, folgte die prompte Abreise. Wer ihn anruft, hört als Freizeichen den Steppenwolf-Song "Born To Be Wild."
Neururer ist Genussmensch. Als Mitbegründer der "Gofus" (Golfvereinigung aus Fußballprofis, Sportjournalisten und hochkarätigen Wirtschaftsvertretern) und Mitglied des Schalker Golfkreises spielt er fast jeden Tag Golf. Auf den Fairways und der Clubterrasse tummelt er sich dann unter ehemaligen Fußballgrößen wie Uli Maslo, Olaf Thon oder den Kremers-Zwillingen - unter der Woche, versteht sich, denn "am Wochenende schauen normale Menschen Fußball". Urlaubsziele werden nur noch nach den Golfmöglichkeiten ausgewählt. Schließlich ist auch seine Frau Antje im Gegensatz zu seinen beiden studierenden Kindern vom Golfvirus gepackt worden. Zuletzt ging es nach Mauritius, rund zehnmal im Jahr fliegt er nach Mallorca. Sein Lieblingsplatz: Canyamel. Dass er Golf spielt, sieht er als Imagegewinn für die Sportart im Ruhrgebiet an. Denn eigentlich steht der gemeine Ruhrpottler diesem elitären Freizeitvergnügen eher skeptisch gegenüber. "Aber aufgrund meiner Typ-Qualität werde ich nicht schief angesehen, sondern der Golfsport hier aufgewertet."
Einstellig zu werden ist sein nächstes Ziel. Nachdem er beim MSV Duisburg entlassen wurde, hat der bekennende Tiger-Fan sein Handicap in den zwei Jahren ohne Trainerjob auf 10,4 heruntergeschraubt. Mittlerweile ist er wieder bei 12,4. "Ich habe aber den gleichen Spaß, ob ich gut oder schlecht spiele. Und ich habe einen großen Vorteil gegenüber Tiger Woods: Er hat kein Potenzial mehr nach oben, ich schon!" Und Peter Neururer hat noch einen Vorteil gegenüber nahezu allen anderen Golfspielern: Auf dem Platz ist er völlig unempfindlich. "Wer es gewohnt ist, von 80.000 Leuten im Stadion ausgepfiffen zu werden, den irritiert gar nix mehr."
Auf unserer Runde schaut er auf den nächsten Abschlag. "Schau dir die drei Hammerwerfer da an! Warten, bis das Grün frei ist, obwohl es keiner von denen auch nur annähernd erreichen kann." Neururer wirkt eher wie ein Lausbub, nicht wie ein 58-jähriger Promi. Wie lange er das alles noch machen will? "Ich will einmal die Meisterschale hochhalten. Das treibt mich genau so an, wie einmal eine Par-Runde zu spielen." Beides erscheint ähnlich unwahrscheinlich. Peter Neururer ist ein echter Typ, der sich nicht verbiegen lässt, obwohl er "schon oft auf die Schnauze bekommen" hat. Er sagt von sich selbst, dass er bekloppt sei. Wir sagen: Er ist ein GolfPunk und genau deshalb nun Mitglied im Schwinger Club.