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Schwinger Club Vol. 20

Annica Hansen

Von Jan Langenbein & Julia Haase, Fotos: Mike Meyer

Neunzehn Folgen "Schwinger Club" und nur Männer? Diesem Wienerfest muss Einhalt geboten werden und deshalb freut es uns sehr, in Folge 20 die coolste Golferin der Republik begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen im "Schwinger Club", Annica Hansen!

Der Kalender behauptet standhaft, zurzeit wäre Sommer. Aber das, was da grau, dick und schwer über dem Golfclub Lärchenhof vor den Toren Kölns hängt und sich kübelweise über uns entleert, sieht mehr nach November als nach August aus. Schon auf der Autobahn haben wir uns angesichts dieser apokalyptischen Wetterlage die Köpfe darüber zerbrochen, wie wir Annica heute gut und vor allem trocken und warm ins rechte Licht rücken können. Als wir diese Warmduscheroptionen jedoch Annica vorschlagen, ist sie alles andere als begeistert. "Warum gehen wir nicht raus auf den Platz? Das Wetter ist mir egal. Ich weiß ja nicht, was ihr für einen Eindruck von mir habt, aber ich bin auf jeden Fall mehr Draufgängerin als Glamour-Tussi. Soll ich mich mit hochgekrempelten Hosenbeinen ins Wasserhindernis stellen?" Ein Wet-Look-Shooting! Das übertrifft unsere kühnsten Erwartungen.

Keine fünf Minuten nach dieser klaren Ansage sitzt Annica beim Schminken, wird shooting-fertig gemacht und erzählt uns nebenbei, wie Beschiss und ihr Unmut darüber sie zum Golf gebracht haben. Moderatorenjobs und ihr Freund taten ihr Übriges: "Ich bin bei Charity-Turnieren oft als Caddie mitgelaufen und dachte mir anfangs, was das für ein Sport ist, bei dem jeder einfach machen kann, was er will. Wenn ich meinen Freund begleitet habe, ist mir oft aufgefallen, dass andere Spieler mindestens sechs Schläge auf einer Bahn gebraucht hatten, sich aber rotzfrech eine vier aufschrieben. Da habe ich gedacht: 'Ich muss das selbst mal versuchen und dann schreibe ich diesen Typen die richtigen Zahlen auf.'" Der weitere Verlauf war dann wie bei jedem Golfer, einmal ausprobiert und die Sucht brach aus - mit allen Nebenwirkungen. Das geht bei Annica nach eigenen Angaben vom Frustriert-gegen-das-Bag-Treten bis zu Ausgelassen-jubelnd-über-den-Platz-Springen nach dem ersten Eagle. Das hat sie nämlich schon hinter sich: Par 5, zweiter Schlag vor das Grün und der Pitch war perfekt. Den Ball als Trophäe aufbewahren? "Wozu? Ein paar Löcher später flog er in irgendein Wasserhindernis", zuckt sie mit den Schultern.

Das Make-up dauert noch ein wenig, doch wir brauchen Annicas Schläger, um das Fotoset aufzubauen. "Hier meine Autoschlüssel. Es ist der schwarze Kombi. Wärst du so nett, mir das Bag aus dem Kofferraum zu holen?", bittet mich Annica mit einem Augenaufschlag, dem kein Mann etwas abschlagen kann. Kaum öffne ich jedoch die Heckklappe ihres VW, wird mir klar, dass mir ein Spießrutenlauf erster Kategorie bevorsteht. Denn was dort vor mir liegt, ist ein Exzess in Pastellfarben, gekrönt von einem rosa Einhorn-Headcover samt Horn in lila Glitter. Ein Schild, wie es Bruce Willis in "Die Hard 3" tragen musste, würde auf dem mittlerweile gut gefüllten Parkplatz am Lärchenhof wahrscheinlich weniger Aufsehen erregen und neben Pfiffen und "Oho! Schick, schick!"-Rufen hagelt es auch Spott à la "Steht dir gut, die Farbe!" oder "Hat Bruce Darnell dir gestern Abend das Golfbag rausgelegt?", als ich versuche, so unauffällig wie möglich zurück ins Clubhaus zu schleichen. Eine Mission Impossible.

Schwinger Club Vol. 20: Klare Rollenverteilung: Wenn die Chefin zuschlägt, hat 'Miss Horny' SendepauseSchwinger Club Vol. 20: Klare Rollenverteilung: Wenn die Chefin zuschlägt, hat 'Miss Horny' Sendepause
Klare Rollenverteilung: Wenn die Chefin zuschlägt, hat 'Miss Horny' Sendepause

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DAS IST ,MISS HORNY'. WANN IMMER MEINE MITSPIELER BEIM TURNIER EINEN BALL INS AUS SCHLAGEN, DÜRFEN SIE AN IHREM HORN RUBBELN. DAS BRINGT GLÜCK
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Mit hochrotem Kopf komme ich nach dieser öffentlichen Demütigung wieder in der Maske an und glaube, in Annicas Stimme tatsächlich ein wenig Mitleid zu hören: "Was ist passiert? Wurdest du ausgelacht? Haben sich die bösen Männer über ,Miss Horny' lustig gemacht?" - "Wie, bitte, heißt dein Einhorn-Headcover?!" - "Das ist ,Miss Horny'. Immer wenn meine Mitspieler beim Turnier einen Ball ins Aus schlagen, dürfen sie an ihrem Horn rubbeln. Das bringt Glück", grinst Annica. Verarscht sie mich? Mein Kopf ist mittlerweile rubinrot. Zeit für einen Themenwechsel.

Nach dem Abitur begann Annica zunächst, Mathematik zu studieren, nach zwei Semestern wechselte sie in den Studiengang Textile and Clothing Management. Nebenbei arbeitete sie seit dem 18. Lebensjahr als Model und nahm Sprechunterricht. Im Alter von 22 stand sie das erste Mal bei einer Sat.1-Show als Sporttrainerin vor der Kamera und machte zwölf unsportliche Männer fit. In den folgenden Jahren feilte sie an ihrer TV-Karriere. Egal ob als "Galileo"-Reporterin, beim "TV total"-Turmspringen oder bei Motorsportmoderationen - Action musste immer dabei sein. Mit der Moderation von "Elton zockt" erlebte sie 2013 ihr größtes persönliches Karriere-Highlight zur Prime Time am Samstag. Bei den Liveshows von "Keep Your Light Shining" machte die Moderatorin auch im Abendkleid eine gute Figur. Aktuell ist allerdings wieder Action angesagt, denn für das Tui-Reisemagazin "Hotspot" reist Annica um die Welt, um von Klippen zu springen, Paragliding zu testen und nach Feierabend einen Golfplatz zu suchen.

Vor der ganzen Golferei war Annicas erste sportliche Leidenschaft das Reiten. Wenn sie nicht auf dem Golfplatz steht, findet man sie im Reitstall bei ihrer Stute "Wölbchen". Sechs Jahre sind die beiden schon ein Team und haben erfolgreich Dressur- und Springturniere bestritten. Annicas großer Traum: ein Fohlen von "Wölbchen". Die Stute ist mittlerweile ein echter YouTube-Star. Neben Behind-the-Scenes-Videos postet Annica nämlich regelmäßig Videos von ihrem Stall-Alltag. "Mittlerweile ist ,Wölbchen'. glaube ich, beliebter als ich", lacht sie. "Alle fragen ständig nach und wollen neue Videos mit ihr. Vielleicht mache ich bald auch was über Golf. Ich war überrascht, wie gut es bei meinen Fans ankam, dass ich Golf spiele." 160.000 haben auf Annicas Facebook-Seite bisher "Gefällt mir" geklickt. Und tatsächlich, abgesehen vom ausgelutschten "Hast du noch Sex oder spielst du schon Golf?" gibt es auf Annicas zahlreiche Postings vom Golfplatz nur positives Feedback.

Als das Make-up perfekt und das Opener-Bild im Kasten ist, können wir es kaum erwarten, Annica endlich ins Wasserhindernis an der 18 zu stellen, doch ein zweites Mal an diesem Tag macht uns Petrus einen Strich durch die Rechnung, denn der Regen hat tatsächlich aufgehört und ohne das bedrohlich Schwarz über der Szenerie wirken die angedachten Bilder einfach nur fad. Also auf zur Driving Range für ein paar Action-Shots, wo sich Annica schnell als echtes Range-Monster herausstellt. "Ich habe halt einfach keine Lust auf Hölzchenschubsen. Ich bin Perfektionistin und auch beim Golf sehr ambitioniert." Es ist erst etwas mehr als ein Jahr her, dass sie erstmals einen Schläger in der Hand hatte. Derzeitiges Handicap: 25,2. An ihrem Ziel, sich dieses Jahr für die Clubmeisterschaft im Lärchenhof zu qualifizieren, ist sie damit zwar noch knapp gescheitert, aber es gibt ja noch 2016.

Schwinger Club Vol. 20:
Anfangs holte Annica sich ihre Trainings-Tipps noch von ihrem Freund, der mit Hcp. 8 dazu durchaus qualifiziert erscheint. Doch um den Hausfrieden nicht zu sehr zu gefährden ("Ich könnte mich selbst beim Golf nicht ertragen, so viel, wie ich motze!") schaut seit diesem Jahr ein gestandener Pro regelmäßig nach ihrem Schwung und Martin Götze hält ihr Ziel "Single Handicap" für absolut machbar. An Trainingsfleiß mangelt es jedenfalls nicht. Läuft es beim Turnier nicht richtig, steht die Moderatorin danach wie selbstverständlich noch zwei Stunden auf der Driving Range und schlägt Bälle. "Videoanalyse hilft mir beim Training am meisten. Als ich mich das erste Mal gesehen habe, war ich echt erschrocken, wie ich mir den Driver fast um den Hals gewickelt habe, statt schön stabil zu schwingen."

Dass Annica als passionierte Reiterin ein Faible für schöne Landschaften hat, dürfte niemanden überraschen. "Ich mag es sehr, dass man eine eigene Welt betritt, sobald man auf dem Golfplatz ankommt. Alles ist ruhig und schön und die Alltagsprobleme scheinen draußen zu bleiben. Ich bin ja privat gar nicht die Poloshirt-Trägerin. Auf dem Golfplatz darf es aber gerne richtig spießig sein. Ein schöner Sport braucht auch ein schönes Outfit. Leider nur lässt sich der Score davon wenig beeindrucken."

Ein Tag mit Annica auf dem Golfplatz und wir wissen, dass sie glaubhaft beides kann: manikürte Fingernägel, Poloshirt und Prosecco auf der Clubhausterrasse - im Gegensatz dazu ist sie sich aber auch nicht zu schade, dorthin zu gehen, wo es schmutzig wird. Ihr Kommentar auf einen fett getroffenen Ball, der den Schlamm nur so spritzen ließ: "So eine Sch***! Habt ihr das gesehen? Wenn der Boden so aufgeweicht ist, haue ich immer die halbe Wiese weg!" - "Lass mich raten: In der Grundschule früher hast du lieber mit den Jungs Fangen gespielt, als mit den Mädchen das Puppenhaus eingerichtet, oder?", möchte ich daraufhin wissen. "Na klar. Ich hatte sogar eine Bande - und rate mal, wer der Anführer war", antwortet sie augenzwinkernd.

Als alle Bilder im Kasten und alle Schwünge gemacht sind, bestellt Sie im Clubhaus - vielleicht um auch den letzten Tussi-Verdacht endgültig zu zerstreuen - eine Currywurst. Mit Pommes, versteht sich. Derart gestärkt haben wir dann auch kein schlechtes Gewissen, sie ihr hyperweibliches Golfbag selbst zum Auto tragen zu lassen. Dumme Sprüche von den Machos auf dem Parkplatz, die gerade ihr Bag in den Kofferraum hieven? Fehlanzeige.

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