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Schwinger Club Vol. 5

Simon Licht

Von Jan Langenbein, Fotos: KIKE

'Als Schauspieler hat man einfach so verdammt viel Zeit zum Golfspielen', behauptet Simon Licht und will dafür nicht einmal beneidet werden. Herzlichen Dank auch.

Die wichtigste Frage überhaupt muss natürlich zuerst geklärt werden: Was für ein Flight-Partner wäre Bernd Stromberg, der schleimig peinliche Abteilungsleiter der Capitol Versicherung in der gleichnamigen Pro7-Kultserie? "Stromberg würde sich am Tag davor eine Golfausrüstung leihen, um mit dem neuesten und feinsten Equipment am ersten Tee aufzukreuzen. Er würde keinen Ball ins Spiel bringen und natürlich alle anderen Anwesenden dafür verantwortlich machen: 'Es muss mal Ruhe sein, Freunde! Sonst kann Papi hier nicht abschlagen.' An das Alphatier im Flight würde er sich unglaublich schleimig anbiedern und wahrscheinlich noch auf dem dritten Loch eine Verletzung vortäuschen. Ein furchtbarer Flight-Partner. Das hätte mit Golf nichts zu tun." Der Mann, der das sagt, ist Simon Licht und der muss es wissen. Schließlich spielte er Hans-Jürgen Wehmeyer, Strombergs Chef, der sich, man mag es kaum glauben, über lange Strecken sogar für den Profilneurotiker einsetzt.

Seit 20 Jahren steht Simon Licht bereits vor der Kamera und es sind zwei Rollen, die die meisten mit dem Schauspieler verbinden, der von Theater über die Telenovela bis hin zum Oscar-nominierten Kinofilm so ziemlich alles gespielt hat, was die Branche zu bieten hat. "Es sind tatsächlich zwei Rollen, auf die ich am meisten angesprochen werde. Die eine ist der Horst Mahler im ,Baader Meinhof Komplex' und die andere der Wehmeyer aus ,Stromberg'. Aber wie gesagt: Einen Typen wie Stromberg könnte ich auf dem Golfplatz nicht gebrauchen."

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Dabei war der Weg auf die Leinwand für Simon Licht nicht vorgezeichnet. Als Pubertierender hatte er mit dem Kulturbetrieb nichts am Hut. Seine Zielsetzung war klar: eine Karriere als Sportler machen. Als Schüler wurde der außerordentlich begabte Fechter in den Nationalkader am Bundesleistungszentrum nach Tauberbischofsheim gerufen - wenn man so will, der FC Bayern der deutschen Fechtszene - und natürlich folgte der in Hannover aufgewachsene Junge dem Ruf in die fränkische Provinz, die in seinem Sport den Schritt in die große weite Fechtwelt bedeutete. Zu dieser Zeit trainierten Olympiasieger wie Anja Fichtel und Matthias Behr in Tauberbischofsheim und aufgrund der großen Erfolge deutscher Athleten war Fechten eine in der Öffentlichkeit angesagte Sportart. "Als Jugendlicher war das eine tolle Zeit, aber ich habe irgendwann gemerkt, dass ein Leben als Fechtprofi nicht möglich ist. Mein nächster Berufswunsch war dann Arzt und das hätte ich sicher auch verfolgt, wäre ich nicht in die Theater-AG meiner Schule kommandiert worden. Meine erste Rolle war Faust und die Aufführung wurde ein großer Erfolg. Nach meinen schulischen Leistungen hätte ich nie gedacht, dass ich mich mal ins Goldene Buch meiner Schule hätte eintragen dürfen, aber diese Aufführung hat mir viele Jahre später diese Ehre ermöglicht. Diese erste Berührung mit der Schauspielerei war die Initialzündung, den Berufswunsch noch einmal zu wechseln." Mit etwas Hilfe eines alten Schulfreunds stolperte Simon in die Aufnahmeprüfung am Konservatorium in Wien, wurde aufgenommen und eröffnete wenig später seinen verblüfften Eltern, dass er nun wohl Schauspieler würde. Im liberalen Patorenhaushalt der Eltern wurde dieser Wunsch mit Gelassenheit zur Kenntnis genommen und die Karriere konnte beginnen.

Der Leistungssport ist jedoch immer eine Konstante in Simons Leben geblieben. "Ich habe mit Judo angefangen, habe Leichtathletik gemacht, bin gerudert... Nur Fußball habe ich nicht gespielt, obwohl ich Mitglied des FC Bayern München und leidenschaftlicher Fußballfan bin." Und für Golf war im Kopf des vor Testosteron strotzenden angehenden Schauspielers kein Platz.

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Die erste Berührung mit dem einzig wahren Sport entspricht jedem Klischee: Kumpel wird im Urlaub mit dem Golfvirus angesteckt, bringt die Krankheit mit nach Hause, wird zunächst belächelt, hat aber in kürzester Zeit das halbe soziale Umfeld angesteckt. "Obwohl ich damals alle Vorurteile gegen das Golfspiel sofort unterschrieben hätte, dauerte es nur eine halbe Stunde und ich war hoffnungslos angefixt. Ich hatte das Glück, dass ich mich damals einer Crew angeschlossen habe, die in der Berliner Chausseestraße auf der damaligen Freifläche des ehemaligen Stadions der Weltjugend Golf gespielt haben. Dort gab es eine Driving Range, auf der man für wenig Geld Golf spielen konnte. Einen normalen Golfplatz hätte ich mir zu diesem Zeitpunk gar nicht leisten können. Aber dort war das anders. Das waren alles coole Jungs, die nach langen Nächten im ,90 Grad' noch Bälle mitten in Mitte geschlagen haben. Wenn man so will, waren wir GolfPunks, lange bevor es das Magazin überhaupt gab."

Die Driving Range im Herzen von Berlin ist längst Geschichte, 2006 baute der Bundesnachrichtendienst auf der Freifläche seine neue Zentrale. Aber im immer noch halbwegs anarchischen Berlin der Jahrtausendwende trafen sich hier japanische Geschäftsleute, die letzten amerikanischen Hängengebliebenen und einige Vorläufer der Spezies, die heute tunlichst nicht Hipster genannt werden möchte, zum Bälleschlagen abseits jeder Konvention. Simon wohnte zu dieser Zeit keine 800 Meter entfernt in der Linienstraße und nutzte diese traumhaften Bedingungen direkt vor der Haustüre beinahe täglich. "Das war das coolste Entree, das man sich zum Golfsport nur vorstellen kann. Mir ist Golf daher auch nie spießig vorgekommen. In Mitte war zu dieser Zeit sowieso nichts spießig."

Beinahe zehn Jahre sind diese ersten golferischen Schritte her und vom Herzen Berlins hat er seinen Golf-Fixpunkt mittlerweile ins Golfresort Semlin am See westlich von Berlin verlegt. Auch die Ansprüche sind andere geworden. "Ich spiele nun seit einem Jahrzehnt Golf. Ich habe aber erst im letzten Jahr kapiert, dass es ein Hobby ist." Als Schauspieler von Natur aus mit einer Menge Freizeit gesegnet, feilte Simon jahrelang verbissen an Schwung und Handicap und das nach eigenen Angaben mit cholerischen Zügen, gebrochene Schäfte inklusive. "Vergiss es!", lautet heute die Einsicht. "Seit ich begriffen habe, dass das mit der Profikarriere nichts mehr wird, habe ich plötzlich einen Heidenspaß auf dem Golfplatz. Aber ich kam eben aus dem Leistungssport und da braucht es für diese Erkenntnis ein kleines bisschen länger."

Bernd Stromberg hat diese Erkenntnis nicht nötig. "Golf ist für mich wie Stalingrad. Nur ohne Schnee", würde der Sprücheklopfer wohl sagen. Aber der ist ja auch nur Abteilungsleiter. Simon Licht alias Wehmeyer ist Chef im Ring und weiß, was sich gehört.

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