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Spirit(s) Of The Game

Passen Golf und Alkohol zusammen?

Von Christoph Keller, Fotos: Mike Meyer

Unter den Schnapsbrennern ist Christoph Keller eine Legende. Unter Golfern hat er diesen Status noch nicht erreicht, aber das wird sich 2017 ändern, bringt er doch allen GolfPunks die essenzielle Verbindung zwischen Golf und Hochprozentigem näher.

Eine Kolumne über Alkohol in einem Golfmagazin? Welcher gesunde Geist in einem durchtrainierten, durch unzählige Trainingsstunden auf der Driving Range geformte Körper möchte so etwas lesen? Seien wir ehrlich: GolfPunk ist nicht wirklich ein klassisches Golfmagazin und Golf ist nicht nur Sport, sondern vor allem auch ein Spiel. Natürlich das ehrwürdigste und komplexeste Spiel, das wir uns vorstellen können. Für die meisten von uns ein ständiges Nebeneinander von höchstem Genuss und fürchterlichster Qual - je nach Ballflug. Ich kenne keinen Golfer, der sich in konstant stabilem Gleichmut über den Platz bewegt, auch wenn genau das unser spirituelles Ziel sein sollte. Der emotionale Seismograf schlägt extrem in beiden Richtungen aus. Und in beiden Gefühlslagen, sowohl im Höhenflug wie auch in der Qual, hilft natürlich Alkohol.

Natürlich will ich niemanden in den Alkoholismus treiben. Und es geht mir nicht ums Trinken. Es geht um die sinnliche Erfahrung und den Genuss, den wir selbst nach einem Fehlschlag immer noch erleben. Dieses Erlebnis will gelernt sein. Wer bei 30 Grad in Südeuropa auf dem Fairway steht und Whisky aus dem Flachmann schlabbert, dem sollte unverzüglich die Platzreife entzogen werden. Der gehört hier schlichtweg nicht hin, ebenso wenig wie ein Margarita-Cocktail in eine Clubhaus-Bar im schottischen Hochland. Jeder Platz, jedes Klima, jede Jahreszeit, jede Region und Kultur bedingen die passende Spirituose, die ein umfassendes, synergetisches Genusserlebnis erst möglich macht. Daher werde ich in den kommenden Ausgaben einige Plätze in verschiedenen Regionen Europas und die dazu passenden Spirituosen vorstellen.

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ES GEHT MIR NICHT UMS TRINKEN.
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Beginnen wir auf der positiven Seite des Golfspiels. Sweet-Spot getroffen, ein knackiges Geräusch im Treffmoment, ein hoher Ballflug mit einem leichten Draw in Richtung Fahne, das satte Plopp auf dem Grün, der Spin greift und der Ball liegt zum Birdie-Putt in Position. Emotional unbezahlbar. Selten. Wunderschön. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Der ambitionierte Golfer bleibt in dieser Situation ganz cool, kein Lächeln huscht über das Gesicht. Wir tun jetzt gern so, als wäre dieser Schlag die normalste Sache der Welt. Und genau dies ist der Fehler. Feste gehören gefeiert, positive Erlebnisse auch als solche gelebt. Dabei gibt es nichts Schöneres, als ein gut gespieltes Loch mit einem kleinen Schluck aus dem Flachmann mit den Flight-Partnern zu feiern. Das Birdie-Wasser darf gerne auch mal ein Par-Wasser sein, denn das Ritual verstärkt das Gefühl, etwas Positives erlebt zu haben - und es verstärkt den Genuss angesichts dieses Erlebens! Ein Golfschlag, die Konzentration davor, die Koordination im Schwung, die freigesetzte Energie und die von so vielen Faktoren abhängige Kurve des Ballflugs ergeben ein zutiefst sinnliches Erlebnis.

Der Philosoph Peter Sloterdijk hat einmal darüber nachgedacht, was den Menschen vom Tier unterscheidet. Und es sind eben nicht die kognitiven Fähigkeiten, die Kommunikation oder der aufrechte Gang. Es ist vor allem die Fähigkeit, Objekte über eine Distanz hinweg zu bewegen, das Werfen, Schleudern oder Schießen. Das ist die biologisch-evolutionäre Ausnahmestellung des Menschen. Und deshalb ist das Gefühl einer abgefeuerten Gewehrkugel, die in 400 Metern Entfernung im Ziel einschlägt, der Weitschuss aus dem Mittelfeld, der genau im Torwinkel platziert ist und dem Torwart keine Chance lässt, oder eben auch ein gerader Abschlag mit dem Driver, der das Fairway teilt, für den Menschen so erhebend - und ja, tatsächlich erhaben, sublim. Im Flug des Objekts, das wir durch koordinative oder technische Fähigkeiten über eine nennenswerte Strecke von einem Ort an einen anderen befördern, erleben wir unser Menschsein, unsere spezifische evolutionäre Stellung. Und kein Mensch kann sich diesen erhebenden Gefühlen entziehen - der ästhetische Flug des Balls berührt uns tief im Innersten.

Spirit(s) Of The Game: Der Stählemühle Flachmann wird von der Manufaktur Alexander von Bronewski handgefertigt
Der Stählemühle Flachmann wird von der Manufaktur Alexander von Bronewski handgefertigt
Umso schlimmer, wenn der Ball einmal nicht so fliegt wie antizipiert. Der Shank ins Aus, der Hook ins Wasser, der getoppte Pitch. Die schlimmste Demütigung für die Golfer-Seele - nicht weil der Score damit ruiniert ist, sondern weil wir die eigentliche Bestimmung dieses Golfballs und unsere originäre Bestimmung als Mensch nicht erfüllen konnten. Das Versagen angesichts einer schlampig ausgeführten Bewegung und des daraus resultierenden, regelrecht hässlichen Effekts für die Fortbewegung des Objekts zwingt uns in die Knie.

Jeder Golfer kennt diesen Moment. Und es gibt tausend verschiedene psychologische Techniken, diese Art von Demütigung zu ertragen - etwa durch die schiere Akzeptanz angesichts der eigenen Imperfektion, durch Verdrängung und Vergessen des gerade Erlebten oder auch durch die Hoffnung auf eine bessere Ausführung bei der nächsten Gelegenheit. Hoffnung und Demut also.

Ich empfehle eine ganz andere Technik, nämlich diesen Moment des gefühlten Versagens durch einen Moment des sinnlichen Genusses zu ersetzen. Auch hier hilft unser Flachmann. Warum sollte denn ein kleiner Schluck vom Glück nur als Belohnung eingesetzt werden? Warum nicht auch als Hilfestellung für einen mentalen Reset, als Muntermacher - und vor allem Mutmacher?

Haben wir unsere Entscheidung getroffen, ob wir unsere Seele mit Gin, Aquavit, Obstbrand, Rum, Single Malt oder Absinth einbalsamieren wollen, dann sollten wir auf die entsprechende Qualität achten. Wer Tausende von Euro für den korrekten Schlägersatz für angemessen hält, der sollte auch bei der Wahl des flüssigen Begleiters nicht sparen und daher Industriespirituosen meiden. Die Destillation eines guten Spirits ist so kompliziert wie der Golfschwung. Vergärungstechnologie, Hefen, Enzyme, Kontrolle des Gärverlaufs, Mazeration, Destillationstechnik, Reifung und Vermählung wollen gelernt sein. Lasst uns daher in gute Tröpfchen investieren, die ein wirkliches Erkennen von höchster Perfektion zum Genuss machen.

Und schließlich: die Hardware. Der gute Tropfen gehört in ein angemessenes Gefäß. Beim Golfen bietet sich der Flachmann an. Traditionelle Flachmänner gibt es aus Glas, Zinn oder Silber, wobei Letzterer natürlich dem golferischen Finanzadel vorbehalten bleibt.

Weil ich es gerne nostalgisch mag, bin ich ein großer Freund der englischen Zinn-Flachmänner, die seit der industriellen Revolution in der Gegend von Sheffield hergestellt werden. Zinn hat - im Gegensatz zu Silber - nur wenig Eigengeschmack, ist robust und bezahlbar.

 

ZUR PERSON

Christoph Keller ist 47 Jahre alt und trägt schon immer Vollbart. Als Jugendlicher spielte er mit den Leonberg Lobsters in der Baseball-Bundesliga und studierte im Anschluss Kunst, Kunstgeschichte und Philosophie. 1998 gründete er den Revolver Kunstverlag und führte diesen bis 2004, bevor er ihn verkaufte. Danach zog er in die Stählemühle im südlichsten Baden und fand dort eine Brennerei vor. 2005 wurde dann die Leidenschaft fürs Schnapsbrennen entfacht und er entwickelte als Master Distiller den legendären Monkey 47 Schwarzwald Dry Gin. Die Stählemühle entwickelte sich währenddessen zu einer der zehn besten Brennereien der Welt und dann nahm Christoph zum ersten Mal einen Golfschläger in die Hand, erspielte sich ein einstelliges Handicap, wurde Kapitän im Golfclub Schloss Langenstein und spielt gerne Runden mit Hickory Schlägern.

Ich empfehle jedem Golfer beim nächsten London-Aufenthalt einen Besuch des Portobello Road Market. Im letzten Lädchen ganz oben an der Portobello Road gibt es - neben alten Hickory-Schlägern - auch eine riesige Auswahl Hunderter alter Flachmann-Originale. Hier wird garantiert jeder ein Stück finden, das schnell ebenso sehr ans Herz wachsen wird, wie es dem Vintage-Scotty-Cameron-Putter bereits gelungen ist.

Bleibt nur noch, das Allerwichtigste im Hinblick auf Birdie-Wasser oder Mutmacher zu unterstreichen: das Teilen! Genuss geht nicht allein, sondern nur beim gemeinsamen Reflektieren und Philosophieren. Vor allem wenn es um die Bewältigung der fürchterlichen Gemeinheiten des Golfgotts geht.

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