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Pinehurst

Zurück in die Zukunft

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Getty Images

Ausgerechnet eine der traditionsreichsten Golfanlagen der Welt weist seit einigen Jahren den Weg in die Zukunft des Golfsports. Natürlich mussten wir in Pinehurst vorbeischauen und sehen, was die Stunde geschlagen hat.

Nicht jede Schönheitsoperation ist ein Triumph. Das weiß man spätestens, seitdem sich Michael Jackson und Mickey Rourke unters Messer gelegt haben. Doch eine der kontroversesten Schönheitsoperationen der vergangenen Jahrzehnte fand im Golfsport statt. 2010 holten Masters-Champion Ben Crenshaw und sein Kompagnon Bill Coore ihren DeLorean raus und reisten mit dem legendären No. 2 Course von Pinehurst, North Carolina, zurück in die Zukunft. Mithilfe alter Luftaufnahmen verwandelten sie den Austragungsort von Ryder Cup, PGA Championship und US Open in den Zustand zurück, wie der legendäre Architekt Donald Ross ihn bei seinem Tod 1948 hinterlassen hatte. 14 Hektar bepflanzter Boden wurde herausgerissen. Das gesamte Rough wich Waste Areas mit insgesamt 200.000 Binsengewächsen. Und die Fairways wurden verbreitert, um die Spieler beim Anspiel von Ross' Grüns, die einem Schildkrötenpanzer nachempfunden sind, strategisch wieder mehr zu fordern. Mit den US Open und den US Women's Open folgte an aufeinanderfolgenden Wochen im Juni 2014 der ultimative Härtetest für das neue alte Layout. Es wurde ein Triumph auf ganzer Linie - nicht nur für Martin Kaymer.

CAMPBELL, KAYMER UND TRUMP


Geht man nur nach den Statistiken, spielte sich der Platz bei den US Open 2014 deutlich einfacher als bei Michael Campbells Major-Triumph im Jahr 2005. Damals trafen die Top Ten des Turniers gerade einmal 30 Prozent der Fairways und 43 Prozent Grüns in Regulation. Neun Jahre später spielten die zehn Besten die Grüns in mehr als zwei Drittel der Fälle vom Fairway an und trafen 63 Prozent von ihnen im Soll. Dennoch erfüllte Pinehurst No. 2 die Vorgabe der USGA, zum ultimativen Test des Jahres zu werden. Dank der Schwierigkeit der Grüns schrieben gerade mal drei Teilnehmer rote Zahlen und blieben mit ihrem Gesamtergebnis unter Par. Als die Damen eine Woche später ihre Bälle über die braun gebrannten Fairways und pfeilschnellen Grüns bewegten, gelang dieses Kunststück nur Siegerin Michelle Wie. Bei all dem Schulterklopfen in Pinehurst gab es während der US-Open-Wochen von 2014 allerdings auch zwei Spielverderber. Zum einen Martin Kaymer, der dem Herren-Event jegliche Spannung nahm, indem er die Konkurrenz mit acht Schlägen Vorsprung pulverisierte. Ein Fakt, mit dem sich hierzulande viele Golffans schnell anfreunden konnten. Zum anderen Donald Trump. Amerikas Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat, war während des Turniers auf Twitter mal wieder in Hochform. Trump gab mit seinen angeblichen 18 Clubmeisterschaften an und ätzte gegen die "Kuhweide" Pinehurst mit ihren "unfairen Grüns", bevor er "Vatertagsgrüße an alle" schickte, "sogar an die Hater und Loser". Nun braucht es wahrlich nicht viel, um den jetzigen US-Präsidenten zur Explosion zu bringen. Jedoch war Trump nicht der Einzige, der Gewöhnungsprobleme hatte. Denn die Brillanz dieser Restauration erschließt sich einem nicht am Fernseher, sondern erst, wenn man den Platz selber spielt. Also habe ich mich im März auf den Weg nach North Carolina gemacht, um mich selber von den Qualitäten zu überzeugen und von Bob Farren, dem Director of Golf Courses and Grounds, die Hintergründe der Transformation zu erfahren. Als ich ihn frage, ob es stimmt, dass das Resort durch die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks den Wasserverbrauch um die Hälfte reduziert hat, korrigiert mich Farren sofort.

Pinehurst: Herbst 2018 (l.), 2016 (r.)Pinehurst: Herbst 2018 (l.), 2016 (r.)
Herbst 2018 (l.), 2016 (r.)

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TRUMP GAB MIT SEINEN ANGEBLICHEN 18 CLUBMEISTERSCHAFTEN AN UND ÄTZTE GEGEN DIE ,KUHWEIDE' PINEHURST MIT IHREN ,UNFAIREN GRÜNS', BEVOR ER ,VATERTAGSGRÜSSE AN ALLE' SCHICKTE, ,SOGAR AN DIE HATER UND LOSER'.
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"Es sind sogar 60 bis 70 Prozent", sagt er. Dies sei aber nicht der Grund für die Umgestaltung gewesen. Anders als im Westen der USA gibt es in North Carolina keine Wasserprobleme. "Wären wir in Kalifornien, hätten die staatlichen Zuschüsse für die Reduzierung des Rasens unsere gesamten Kosten abgedeckt", schmunzelt Farren.

Stattdessen hat sich der Club den Luxus angeblich zweieinhalb Millionen Dollar kosten lassen. Auch meine anderen Thesen entkräftet Farren sofort. Weder hatte die Entfernung des Roughs Einfluss auf die Spielgeschwindigkeit, noch hat man auf eine Verbesserung in den diversen Golfplatz-Rankings geschielt. Vielmehr war es eine rein von geschäftlichen Interessen getriebene Entscheidung.

Pinehurst: US Open 2005, Pinehurst No. 2, Par 70, 6.596 Meter
US Open 2005, Pinehurst No. 2, Par 70, 6.596 Meter

ZURÜCK ZU DEN WURZELN


Seit den 80ern hatte sich bei vielen Golfern und Verantwortlichen ein Bild in den Köpfen festgesetzt, wie ein Platz auszusehen hat. Der Ausgangspunkt für diese Bewegung liegt 200 Meilen südwestlich von Pinehurst. Mit dem Masters Tournament sendet der Augusta National Golf Club jeden April saftig grüne und perfekt manikürte Fairways in die Welt. Um mit diesem Trugbild konkurrieren zu können, begann auch Pinehurst, seine sandigen Naturflächen in Rough und Fairways umzuwandeln. "Am Ende waren wir ein Hybrid, das seine Identität verloren hatte", bedauert Farren heute diesen Schritt. "Wir hatten weder den rauen, natürlichen Look von Pine Valley noch die minutiös gepflegten Fairways von Augusta National." Die Rettung kam mit Bandon Dunes. Das Resort an der Pazifikküste von Oregon bewies der Golfwelt, dass man auch mit einem naturalistischen Look und scheinbar schroffem Charme eine breite Masse an Golfern anspricht. Und je mehr Bandon expandierte, desto mehr fragte sich Bob Farren, ob das nicht auch für Pinehurst der Weg in die Zukunft sein könnte. Mit Golfarchitekt Bill Coore fand er den perfekten Partner für diese Rückbesinnung. Als Kind hatte Coore für 5 Dollar Greenfee den alten Pinehurst No. 2 oft dreimal am Tag gespielt. Jetzt durfte er mit seinem Partner Crenshaw wieder in seinen alten Sandkasten zurück. Während Coore das Rough, die Cartwege und die überflüssig gewordenen Beregnungssysteme herausriss, fiel ihm plötzlich auf, dass er mehr als nur Gegenstände entfernte. "Bill kam auf mich zu", erinnert sich der seit den 80ern für Pinehurst verantwortliche Farren lachend, "und sagte mir bedauernd: ,Ich zerstöre gerade dein Lebenswerk.' Ich antwortete ihm, dass mir das völlig egal sei." Schließlich ist Farren trotz seiner Berufung in die Carolina Golf Hall of Fame nur ein kleines Rad des großen Ganzen. Denn das Pinehurst Resort sichert die Existenz von 1.200 Menschen in der Stadt und hat 2.400 zahlende Mitglieder. Und die waren mit den Änderungen hochzufrieden. Schon nach wenigen Löchern wird klar warum. Die breiten Fairways und die offene Waste Area wiegen den Golfer am Abschlag erst mal in Sicherheit. Das ist trügerisch. Denn die Schwierigkeit liegt in den klug verteidigten, mit Mikro- und Makroondulierungen durchzogenen Grüns. Wer vom Tee den falschen Weg wählt, kann sich eigentlich schon prophylaktisch das Bogey notieren. Und wer dazu noch Schwächen im kurzen Spiel hat, reibt sich nach 18 Löchern verwundert die Augen, dass plötzlich eine dreistellige Zahl auf der Scorekarte steht. Speziell die Grüns der Löcher 3 und 5 haben es dabei in sich. Sie liegen in der Verlängerung der Hütte, in der einst Donald Ross wohnte. Damals, so geht in Pinehurst die Legende, soll Ross jeden Abend auf seiner Veranda gesessen haben, und wann immer ein Golfer einen langen Putt gelocht hat, ist er aufgestanden und hat die damals aus Sand und Öl geformten Grüns noch einmal schwieriger gemacht.

Pinehurst: US Open 2014, Pinehurst No. 2, Par 70, 6.915 Meter
US Open 2014, Pinehurst No. 2, Par 70, 6.915 Meter

GOLFMINIMALISMUS


Für Pinehurst hat das nach Donald Ross' Heimat benannte Dornoch Cottage deshalb eine besondere Bedeutung. 2017 ging es endlich in den Besitz des Resorts über und bekam für sechs Monate einen weiteren bekannten Untermieter: Gil Hanse. Der Architekt des Olympia-Platzes von Rio wurde beauftragt, den Platz No. 4 neu zu gestalten, und nutzte das Cottage, um den Geist von Donald Ross einzuatmen. No. 4 war seit jeher das zweitbeliebteste der acht Routings von Pinehurst. Doch für Bob Farren wurde es immer schwieriger, zwei Plätze mit gänzlich unterschiedlichen Charakteristika glaubwürdig zu vermarkten: "Wann immer wir die Vorzüge von No. 2 angepriesen haben, war es schwierig, Argumente für No. 4 anzuführen, und vice versa." Hanse fiel dabei eine deutlich schwierigere Aufgabe zu als Coore und Crenshaw. Er konnte nicht einfach den Platz anhand von Luftbildern nachbauen. Zu viel Schaden hatten einige Kollegen an Donald Ross' Design angerichtet. Der 1919 erbaute Platz lag in Folge der Weltwirtschaftskrise lange Zeit brach, ehe Eigentümer Peter Tufts ihn 1950 komplett umgestaltete. 1973 griff Robert Trent Jonessen in den Platz ein, zehn Jahre später dessen Sohn Rees Jones. Und schließlich fuhr Tom Fazio 1999 viele Lorbeeren für den Komplettumbau des Layouts ein. Dass Fazio nicht gebeten wurde, die erneuten Änderungen selber vorzunehmen, ist ein deutliches Zeichen, wie sehr sich der Golfsport in den letzten 20 Jahren verändert hat. Der sogenannte Minimalismus, mit dem Hanse und viele andere den Design-Prinzipien von Alistair MacKenzie, Seth Raynor und eben Donald Ross nacheifern, ist zum Nonplusultra der Golfarchitektur geworden.

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