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Wunderschön: Frühling in Venedig

Preview: Masters 2023

Nr. 13 lebt!

Von Tony Ristola, Fotos: Tony Ristola, Rolex

Die 18 Löcher von Augusta National wurden bereits mehr Schönheitsoperationen unterzogen als das Gesicht von Mickey Rourke - jedoch mit weitaus größerem Erfolg. Dieses Mal wurde allerdings am Allerheiligsten, dem wahrscheinlich berühmtesten Par 5 der Welt, geschnippelt.

Die Tatsache, dass Augusta National vor seinem ersten Invitational Tournament 1934 die Reihenfolge seiner beiden Neunlochschleifen drehte, sollte sich schon bald als Geniestreich erweisen. Als viertes Loch wäre die Dramatik des Jahrzehnte später weltberühmten Par 5 viel zu früh im Fluss einer Runde verpufft. Als 13. Spielbahn dagegen kann "Azalea" als lupenreines Risk-Reward-Par-5 sein volles Potenzial entfalten, Spielern nervenaufreibende Entscheidungen abverlangen und eine Bühne für Schläge bieten, die auf dramatische Weise darüber entscheiden, wer das Masters gewinnen und wer mit gesenktem Haupt zurück in die Umkleide schleichen wird. Kein Geringerer als Bernhard Langer stand gleich zweimal im Mittelpunkt solcher geschichtsträchtiger Momente an diesem legendären Par 5.

Beim ersten dieser Langer-Vorfälle gab sich Curtis Strange die Ehre des zweiten Hauptdarstellers. Nach einer enttäuschenden Eröffnungsrunde mit 80 Schlägen kämpfte sich Strange 1985 mit Runden von 65 und 68 zurück und führte, als er am Sonntag den 13. Abschlag betrat, das Feld mit zwei Schlägen Vorsprung vor Langer an. Er platzierte seinen Drive sicher auf der rechten Seite des Fairways und sah sich nun 206 Meter von der Fahne entfernt mit einer Balllage etwas oberhalb seiner Schuhsohlen. Anders als heute war es aus dieser Distanz keineswegs selbstverständlich, das Wasser tatsächlich zu überqueren. Dieser Schlag war riskant und eine Entscheidung musste getroffen werden: aufs Ganze gehen und den Vorsprung möglicherweise ausbauen, indem Rae's Creek heroisch überwunden und das Grün mit dem zweiten Schlag attackiert wird, oder vorlegen, mit einem Wedge aus sicherer Distanz das Par garantieren und den Vorsprung verwalten?

Curtis Strange griff zum Fairwayholz, sein mittelmäßiger Schlag schaffte es carry jedoch noch nicht einmal bis in Rae's Creek, sondern hoppelte zunächst über das abschüssige Fairway, um dann sein feuchtes Grab zu finden. Damals war der Grund von Rae's Creek noch ein wunderschönes natürliches Durcheinander aus Gras, Steinen, Felsen, Erde und Wasser. Wer Glück hatte und eine gute Balllage erwischte, konnte seinen Ball durchaus aus dieser misslichen Lage befreien. Strange fand seinen Ball halb im Wasser versunken. Nach einigem Nachdenken streifte er seine dunkelblaue Regenkleidung über, stieg das steile Ufer hinunter, sprach den Ball an und machte mehrere Rückschwungtests. Schließlich hackte er nach dem Ball, nur um hilflos zusehen zu müssen, wie dieser die Böschung hinaufsprang, es aber nicht bis aufs Grün schaffte, sondern kehrtmachte und vor seine Füße zurückrollte. Das Turnier stand bereits nach dem zweiten Schlag auf dem Spiel, nun war die Situation allerdings weitaus dramatischer, denn ein Doppel- oder Triple-Bogey war plötzlich weitaus wahrscheinlicher als ein Par. Schlag Nummer vier kam etwa fünf Meter hinter der Fahne oberhalb des Lochs zum Liegen, von wo aus Strange mit zwei Putts ein äußerst respektables Bogey spielte und das Grün mit einem Vorsprung von einem Schlag auf seinen Gegner aus Deutschland verließ. Doch dieser Vorsprung schmolz am nächsten Par 5 dahin. Nachdem Strange an Loch 15 ebenfalls einen Wasserball notieren musste, beendete er das Masters 1985 auf dem geteilten zweiten Platz, zwei Schläge hinter Bernhard Langer. Hätte Strange auf Sicherheit gespielt, wäre ein Play-off wohl sein schlechtestes denkbares Ergebnis gewesen. Aber den Golfgöttern gefiel an diesem Tag wohl Langers knallrotes Bogner-Outfit.

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Stranger Things: Gegen den Wasserschaden half 1985 weder der Blaumann noch beherztes Zuschlagen

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DEN GOLFGÖTTERN GEFIEL AN DIESEM TAG WOHL LANGERS KNALLROTES BOGNER-OUTFIT.
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Das ist es, was großartige Golflöcher ausmacht: Sie verführen und quälen Golfer gleichermaßen. Ruhm und Drama liegen denkbar eng beieinander.

Acht Jahre später hatte Bernhard Langer an der 13 noch einmal ein Treffen mit dem Schicksal. Wir schreiben die letzte Runde des Masters von 1993 und diesmal war es der Deutsche, der mit zwei Schlägen Vorsprung auf dem 13. Fairway stand. Sein Spielpartner Chip Beck hatte seinen Ball bereits auf das Grün geschlagen und nun einen langen, je doch machbaren Eagle-Putt als Lohn für seine Mühen vor sich. Langer sah sich mit einer seitlich abschüssigen Balllage und einem langen Eisen über frontales Wasser konfrontiert vergleichbar mit der von Curtis Strange Jahre zuvor. Er hätte auf Sicherheit spielen können, schließlich war Langer selbst schon einmal Nutznießer eines zu aggressiven Gegners auf Augustas 13. Spielbahn. Doch auch der Anhausener blies zum Angriff und schlug sein langes Eisen sogar noch näher an die Fahne, als es Chip Beck kurz zuvor gelungen war. Nachdem der Eagle-Putt sein Ziel nur knapp verfehlt hatte, marschierten sowohl Langer als auch Beck mit Birdies auf den Scorekarten vom Grün. Auf den verbliebenen fünf Löchern baute der Deutsche seinen Vorsprung auf vier Schläge aus und durfte sich so sein zweites Grünes Jackett überstreifen.

Es sind Momente wie diese, die Loch 13 in Augusta zum Inbegriff des "Par 4,5" gemacht haben: ein langes Par 4 oder doch ein kurzes Par 5? Egal! Wichtig ist lediglich, dass ein guter Drive den Spieler in die Lage versetzt, das Grün mit zwei Schlägen anzugreifen, die Entscheidung aufgrund des lauernden Wassers jedoch alles andere als einfach ist. Eagles sind hier zwar keine rare Spezies, Bogeys und gar Schlimmeres allerdings auch oft gesehene Partycrasher.

Doch diese Zeiten sind seit den späten 90ern vorüber. Moderne Schläger- und Balltechnologien haben das Golfspiel auf höchstem Profi-Level komplett verändert und von offizieller Seite wurde nichts dagegen getan. Längst wurde Können durch rohe Kraft ersetzt - ein glorifizierter Long-Drive-Wettbewerb gefolgt von Annäherungsschlägen mit kurzen Eisen und Wedges. Es gibt sogar einen Begriff dafür: "bomb and gouge". In dieser thermonuklearen Ära des Golfsports wurden die mental zehrende Entscheidungsfindung und die daraus resultierenden Dramen an Loch 13 in Augusta durch Annäherungsschläge mit kurzen Eisen oder gar Wedges ersetzt. Nicht nur dort, sondern auf Weltklasse-Golfplätzen überall. Auf der 13 wird es heutzutage nur noch interessant, wenn jemand den Abschlag durch das Fairway in die Bäume schlägt und danach dem Dschungel entkommen muss, wie es Mickelson 2010 auf seinem Weg zum Sieg tat. Welchen Schläger hat er aus dem Unterholz auf das Grün geschmettert? Ein Eisen 6. Gähn! Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, da schlugen Profis 2er-Eisen und Fairwayhölzer in Par 4s!

Die harte Realität, wie sehr die Längenjagd außer Kontrolle geriet, lässt sich einfach zusammenfassen: Als Langer seine Masters-Titel sammelte, schlugen Profis den Ball im Durchschnitt etwa 230 bis 240 Meter weit. Dan Pohl, der längste Driver auf der Tour im Jahr 1981, schlug den Ball etwas weiter als 245 Meter. Heute wäre Pohl damit nicht nur ein Short-Hitter, er wäre mit Abstand der kürzeste Driver der PGA Tour.

Die 13 in Augusta war noch nie ein langes Loch, doch es war ein Meisterwerk in Sachen strategisches Design, bevor die USGA und der R&A zuließen, dass Technologie Profigolf immer langweiliger werden ließ. Ihre Rechts-nach-links-Ausrichtung, das Wasserhindernis, das sich an der Innenseite des Doglegs entlangschlängelt und die Vorderseite des Grüns verteidigt, die signifikante Seitenneigung des Landebereichs im Fairway und das zur Spiellinie abgewinkelte Grün, das einen Abschlag zur Innenseite des Doglegs auf den dort flacheren Teil des Fairways belohnt, machten diese Spielbahn zu einem vorbildlichen Risik-Reward-Par-4,5. Ohne Zweifel zählt "Azalea" zu den besten Golflöchern, die je gebaut wurden.

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Grüne Hölle: keine Leitplanken, aber jede Menge Wasserleichen
Ein Teil dieser altmodisch anmutenden Attribute könnte der 13 beim diesjährigen Masters allerdings zurückgegeben werden. Nein, die verantwortlichen Regelmacher haben nichts unternommen, um der fragwürdigen Längenjagd im Profigolf Herr zu werden, und Augusta hat keinen eigenen Wettkampfball eingeführt - ich wünschte, sie würden es tun. Stattdessen öffnete das Turnierkomitee in Augusta die gut gefüllte Kriegskasse. Auf der anderen Seite des Platzes kaufte der Club vor Jahren ein ganzes Viertel. Ja, richtig gelesen - ein ganzes Stadtviertel! Dieses Land wird einmal im Jahr als Parkplatz für die aus aller Welt angereisten Patrons genutzt und ein kleiner Teil davon wurde verwendet, um die Tees am fünften Loch nach hinten zu verschieben und so dem einst furchteinflößendsten Par 4 des Platzes wieder seine Zähne zu geben.

Auf der 13 gestaltete sich diese Radikalkur mit dem Streckverband allerdings komplizierter, da direkt hinter der Teebox das Gelände des Augusta Country Club beginnt und dessen neunte Spielbahn verläuft. 2017 erwarb der Augusta National Golf Club allerdings Land von seinem Nachbarn, bezahlte auch den Umbau der dortigen neunten Spielbahn und schuf so Raum, um die 13. Teebox nach hinten zu verschieben.

Es wird also interessant sein zu sehen, wie sich das verlängerte Loch dieses Jahr spielt. Noch geizt Augusta typischerweise mit Details, doch es wird erwartet, dass "Azalea" etwa 75 Meter länger ausfallen wird als zu dem Zeitpunkt, als Langer seine Green Jackets gewann. Wird die 13 endlich wieder lange Eisen-Schläge erforderlich machen? Wird das Vabanquespiel nach Augusta zurückkehren? Hoffentlich.

Die Kommentare der ersten Profis, die die neue und verlängerte 13 bereits spielen konnten, geben jedenfalls Grund zur Hoffnung. Kevin Kisner, dessen Wohnsitz keine 45 Autominuten von Augusta National entfernt liegt, verriet bereits im Dezember: "Ich war total gegen einen Umbau der Bahn - bis ich sie gespielt habe. Ich glaube nun, dass es gar nicht so übel wird. Wenn wir das Loch in den Wind spielen, dann glaube ich nicht, dass es möglich sein wird, den Ball um die Ecke zu bekommen. Aber man kann ja vorlegen, es ist immerhin ein Par 5." Kisner hatte bei seinem zweiten Schlag nach eigener Angabe noch 192 Meter bis zum Grün-Anfang. "Ich habe einen vollen Driver vom Tee geschlagen und es gab keinen Roll an diesem Tag. Ich schätze mal, dass die Bomber im Feld das Grün nun mit einem Eisen 5 oder 6 erreichen können."

Tony Finau spielte im Dezember ebenfalls zwei Runden in Augusta und schaffte es beide Male mit dem zweiten Schlag aufs Grün, allerdings benötigte selbst er, einer der längsten Spieler auf der PGA Tour, dafür einmal ein Eisen 3 und einmal ein Eisen 4. "Im Frühling wird das dann ein Eisen 5 beziehungsweise Eisen 6 sein", orakelte Finau nach seinem Besuch in Augusta.

Es ist nicht nur die größere Länge, die der 13 endlich ihren Biss zurückgibt, es ist hauptsächlich auch die Tatsache, dass die neue Teebox ein Abkürzen über die Bäume links, wie es Rory McIlroy und Bubba Watson in den letzten Jahren perfektioniert haben, nun nicht mehr möglich machen wird. Um die 13 endlich wieder als Par 5 bestaunen zu dürfen, müssen wir also nur noch auf etwas Gegenwind hoffen und schon dürfen wir uns ab dem 06. April mit Popcorn auf der Couch niederlassen und die Show genießen.

 

FACT SHEET LOCH 13

LÄNGE

1934: 480 Yards
2022: 510 Yards
2023: 550-560 Yards

SCHLAGDURCHSCHNITT

1976: 5,04
2010: 4,73
2019: 4,47

REKORDE

1978: Tommy Nakajima muss eine 13 auf der Scorekarte notieren, nachdem ihm misslungen ist, sich aus Rae's Creek zu befreien und er zwei Strafen ā zwei Schläge aufgebrummt bekommen hat.
1994: Jeff Maggert gelingt mit einem Double Eagle der bisher beste Score auf Loch 13.
2012: Mit zweimal Par, einem Bogey und einer 9 schreibt sich Patrick Cantlay als Sechster auf die Liste der übelsten Wochenergebnisse mit 5 über Par.
2020: Marc Leishman gelingen als insgesamt zehntem Pro zwei Eagles und zwei Birdies im Verlauf einer Woche. 6 unter Par ist bis heute der Wochenrekord auf Loch 13.

BLUMENMEER

1.600 Azaleen, kleinblättrige immergrüne Sträucher der Gattung Rhododendron, säumen die linke Seite des Fairways und das Grün und geben Bahn 13 ihren Namen.

EWIGE BAUSTELLE

1954: Grünkonturen werden verändert und Bunker rund ums Grün angepasst.
1967: Der Abschlag wird fünf Yards nach vorne verlegt.
1974: Die Teebox wandert fünf Yards zurück.
1975: Der Abschlag wird sieben Yards nach hinten verschoben und die Grünkonturen werden verändert.
1988: Die Senke links hinter dem Grün wird entschärft.
1994: Ein Belüftungssystem wird unter dem Grün installiert.
1995: Rae's Creek wird vorm Grün umgebaut.
2002: Die Länge wird um 20 bis 25 Yards gestreckt.
2004: Das Grün wird neu aufgebaut und ein Wärme-/Kühlsystem installiert.

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