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Stroke of Genius

Seve Ballesteros 2007

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Not macht erfinderisch - der Ursprung dieser Weisheit könnte problemlos auf Severiano Ballesteros zurückgehen. Der geniale Spanier hat sich auf den Golfplätzen dieser Welt häufig in knifflige Lagen manövriert, aus denen er sich oft mit wahren Zauberschlägen wieder befreien konnte - wie bei der Trophée Lancôme 1997.

Ort: Saint-Nom-la-Bretèche, Paris (Frankreich) Turnier: Trophée Lancôme Datum: 12. September 1997 Schläger: Holz 4

Ausgangssituation


Mit 50 Turniersiegen ist Severiano Ballesteros bis heute der Rekordsieger auf der DP World Tour. Viermal hatte er bereits die Trophée Lancôme gewonnen, als er 1997 nach der ersten Runde erneut in Führung lag. Am zweiten Tag aber lief für den damals 40-Jährigen so gut wie gar nichts mehr. Keine neue Situation für den kreativen Spanier, der wie kaum ein anderer zu improvisieren verstand. Und so verwundert es auch niemanden, dass "Europas Golfer des 20. Jahrhunderts" auch für den besten Knieschlag aller Zeiten verantwortlich ist.

Stroke of Genius:

Balllage


Die sechste Spielbahn auf dem Blue Course im Golf de Saint-Nom-la-Bretèche 30 Kilometer westlich des Eiffelturms ist ein 467 Meter langes Par 5. Schon damals keine Länge, die den Profis unbedingt drei Schläge ins Grün abgefordert hätte. Aber: Seve pullte seinen Drive mächtig nach links, wo eine Reihe Kiefern das Fairway einrahmt. Der Ball lag einigermaßen frei zugänglich, aber auf der falschen Seite der Kiefern, deren Äste zudem so tief hingen, dass sie bei einem normalen Schlag sowohl die Sicht auf den Ball als auch den Rückschwung behindert hätten.

Schlagoption


Ohne Strafschläge zu kassieren, gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder einen kurzen Chip zurück aufs Fairway unter Inkaufnahme eines Längenverlusts oder auf der falschen Seite über das benachbarte Fairway weiterspielen, um wenigstens etwas Länge zu machen. Seve wählte die dritte Option, auf die kein vernunftbegabter Golfer kommen würde, es sei denn, er würde über die Vorstellungskraft und Risikobereitschaft eines Severiano Ballesteros verfügen. Der nämlich zückte ein Fairway-Holz und kniete sich auf die Wiese.

Stroke of Genius:

Videobeweis


Es brauchte eine flache Flugbahn mit einem extremen Hook, da der Ball unter den Ästen rechts am Baumstamm vorbeimusste. Durch das Hinknien flachte der fünfmalige Major-Sieger seine Schwungebene ab, eröffnete sich freien Schwungraum und bekam mit dem Fairwayholz genau diese unglaubliche Flugkurve zustande. Eine sehenswerte Houdini-Nummer, die auf YouTube verewigt ist. Schläge wie dieser machten Seve als Meister der Recovery-Shots unsterblich, denn er brachte diesen Trickschlag tatsächlich aufs Vorgrün und spielte das Birdie.

Nachspiel


Zwei Wochen nach diesem Geniestreich führte Severiano Ballesteros das europäische Team in Valderrama als Captain zu einem triumphalen Ryder-Cup-Triumph. Wegen anhaltender Rückenprobleme verlor er in der Folgezeit zusehends den Anschluss zur Weltspitze und sollte nie wieder ein Turnier gewinnen. Mit nur 54 Jahren erlag er 2011 einem Gehirntumor. Er ist der Golfwelt nicht nur wegen seiner unglaublichen Kunstschüsse und der Ryder-Cup-Heldentaten als eine der prägendsten und charismatischsten Persönlichkeiten in Erinnerung geblieben.

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