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Traumjobs

Mähen mit Wikingern

Von Jan Langenbein, Fotos: Mike Meyer

Dieser Mann sorgt dafür, dass nördlich des Polarkreises Putts ihre Linie halten und Fairways in der Mitternachtssonne glänzen: Jeremy Mulvihill trägt einen gehörigen Anteil daran, dass die Lofoten längst eines der begehrtesten Golf-Sehnsuchtsziele überhaupt sind.

Die Anfrage kurz vor Ende des Jahres 2013 aus Norwegen war ebenso vielversprechend wie Furcht einflößend: "Wir brauchen hier oben jemanden, der sich nicht zu schade ist, seine Hände schmutzig zu machen, und die Probleme beim Bau des Platzes lösen kann." Es ging um die Vollendung des einst wahnwitzigen Plans, auf den Lofoten nördlich des Polarkreises einen 18-Loch-Golfplatz zu bauen, und Frode Hov, dessen Vater mit diesem Unternehmen in den 90ern begonnen hatte, brauchte nun jede erdenkliche Hilfe, um das Mammutprojekt über die Ziellinie zu bringen. Das Gras wollte nicht anwachsen, beim Bau der Bewässerungsanlage hatten die Bauarbeiter gepfuscht und natürlich war das Geld knapp. Jeremy Mulvihill schien der richtige Mann für diesen außergewöhnlichen Job zu sein.

"Frode schickte mir ein Bild der Felsinsel, auf der nun das zweite Grün liegt, und meinte: 'Möchtest du hier ein Golfloch bauen?' Ich musste keine Sekunde überlegen und diesen magischen Ort mit meinen eigenen Augen sehen", erinnert sich der Ire heute an die Augenblicke nach dem verhängnisvollen Anruf, der sein Leben für immer verändern sollte. Wenige Tage später saß er im Flugzeug gen Norden.

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Frode schickte mir ein Bild der Felsinsel, auf der nun das zweite Grün liegt, und meinte: 'Möchtest du hier ein Golfloch bauen?' Ich musste keine Sekunde überlegen.
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Jeremy ist auf der anderen Straßenseite der fünften Spielbahn des legendären Ballybunion Golf Club in Irland aufgewachsen und so war Golf bereits in seiner Jugend zu mindest aus den Augenwinkeln ein Teil seines Lebens gewesen. Doch erst als sein Vater 1984 selbst anfing, Golf zu spielen und den Sohnemann als Caddie einspannte, fing Jeremy an, sich ernsthaft Gedanken über diesen Sport zu machen. "Caddie zu sein war mein erster Zugang zum Golf. Doch mein Vater bezahlte mich natürlich nicht dafür, seine Tasche zu tragen", lacht er. "Recht schnell haben meine Freunde und ich bemerkt, dass es ein toller Ferienjob ist, für all die nach Kerry reisenden Amerikaner die Taschen über den Links zu tragen." An Taschengeld mangelte es ab diesem Geistesblitz folglich nicht mehr und auch die Kontakte, die er in dieser Zeit knüpfte, und Freundschaften, die sich zwischen den Dünen von Ballybunion entwickelten, sollten sich schon bald als äußerst wertvoll erweisen. Denn es war eine Bekanntschaft aus dem Golfclub, die Jeremy die Möglichkeit aufzeigte, in Amerika eine Universität zu besuchen.

Am Ende seiner Studentenzeit zog es ihn jedoch wieder zurück in der Heimat, wo Jeremy einige Jahre für den Head-Greenkeeper in Ballybunion jobbte und ihm irgendwann erneut ein Licht aufging. Er wollte von nun an immer auf dem Golfplatz arbeiten und den Elementen ausgesetzt sein wollte. Weil er sich schnell als äußerst fähig erwies, folgten Einsätze bei den US Open 2009 in Bethpage, beim Ryder Cup 2012 im K Club und bei zahllosen Irish Open - zuletzt in Royal Portrush. Doch nichts konnte Jeremy auf zuseine erste Begegnung mit dem Stück Land vorbereiten, das nun sein Leben bestimmt. Erzählt er heute davon, wie er zum ersten Mal auf der kleinen Anhöhe stand, auf der mittlerweile der zweite Abschlag liegt, klingt es, als wäre dies erst gestern gewesen: "Ich konnte es nicht glauben, was ich sah, und hatte das Gefühl, auf dem Mond zu stehen." Es war Jeremys erste Nacht auf den Lofoten und natürlich tat er kein Auge zu. "Also unternahm ich einen Mitternachtsspaziergang über das Gelände, auf dem schon fünf Löcher existierten und 13 weitere gebaut wurden, und konnte einfach nicht fassen, wie traumhaft schön diese Landschaft ist."

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Die atemberaubende Natur konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, wie viel Arbeit hier noch nötig sein würde, bis die ersten Bälle fliegen konnten, und es mangelte an allen Ecken und Enden an den dafür notwendigen Ressourcen. "Wir waren eine kleine Mannschaft von einem guten Dutzend, die Lofoten Links gebaut haben. Viele davon hatten noch nie zuvor auf einem Golfplatz gearbeitet und sind heute Zahnärzte, Psychologen oder arbeiten irgendwo im Büro." Studenten, die in einem alten VW Polo hierherkamen, wurden am nächsten Tag auf einen 20 Tonnen schweren Bagger gesetzt und niemand hatte Grund, sich über zu wenig Verantwortung oder fehlende Gestaltungsmöglichkeiten zu beschweren. Und mittendrin in dieser Bande von Abenteurern und Golfenthusiasten Jeremy, der sein Bestes gab, das Team zu führen, weshalb der Ire heute weit mehr ist als nur der Head-Greenkeeper auf den Lofoten. Er war so etwas wie der Geburtshelfer des 18-Loch-Platzes, der mittlerweile zu den 50 spektakulärsten Anlagen des Planeten zählt.

Die Lebensaufgabe in Norwegen hier ist auch eine Rückkehr zu seinen Wurzeln, denn Mulvihill sieht sich beinahe täglich an seine ersten Erfahrungen als Greenkeeper auf dem altehrwürdigen Links-Platz in Ballybunion erinnert. Auch auf den Lofoten kämpft er nun wieder gegen die Elemente und die manchmal unbarmherzige Nordsee. Während Greenkeeper auf Parkland-Plätzen ihre Fairways und Grüns im Akkord mähen müssen und mehr Zeit auf ihren Maschinen verbringen als irgendwo sonst, stellt ein echter Links-Platz andere Anforderungen an seine Pfleger. "Ein Links-Course ist ein in sich geschlossenes Ökosystem. Hier muss man sparsamer mit Düngemitteln und Wasser umgehen, sonst würde dieses System Schaden nehmen", ist er überzeugt. "Links-Plätze sollen sich hart und schnell spielen. Fescue ist hier die dominierende Grassorte und an diesen Grundprinzipien darf sich nichts ändern."

Die Herausforderungen an einen Greenkeeper auf einer Anlage nördlich des Polarkreises sind einzigartig. Während im Juni und Juli die Sonne niemals untergeht, sind die Winter ein echter Härtetest für Körper und Geist. "Ab Ende August verabschiedet sich die Sonne täglich spürbar früher. Geht sie am 05. November um 11:52 Uhr auf und um 12:08 wieder unter - das sind 16 Minuten Sonne am ganzen Tag -, lässt sie sich ab 06. Dezember gar nicht mehr sehen." Und trotzdem hatte Jeremy seinen nach eigenen Angaben schönsten Monat hier auf den Lofoten im November 2019: "Die im Schnitt -19° Celsius machten selbst beim täglichen Joggen nichts aus, denn es gab weder Wind noch Regen. Alles war glasklar - Eis und Kristalle überall. Selbst am Strand war alles bis hin zum Seegras gefroren. Unglaublich."

Läuft die Saison nach Plan, kommt er am 01. April auf die Lofoten und bleibt bis Anfang Dezember. "Ich liebe die 24 Stunden Sonnenlicht im Sommer und kann gar nicht genug davon bekommen. Die Dunkelheit im Winter: nein danke!" Der Greenkeeper verlässt sein Baby für einige Wochen, wenn Lofoten Links für die Dauer des Winters schnurstracks in die Tiefkühltruhe wandert und komplett einfriert. "Das hilft uns sehr, denn wenn alles gefroren ist, können Wind und Wetter dem Platz nichts anhaben und die Erosion bleibt aus", erklärt Jeremy den Segen der arktischen Temperaturen im Winter. Der vergangene Winter war jedoch erstaunlich mild und Frostperioden wechselten sich mit Tauwetter ab. Jeremy betrachtete die Wetterdaten, die von den Lofoten nach Irland übermittelt wurden, mit Sorge. "Wegen der recht hohen Temperaturen trug der Wind Sand ab und wir hatten deutlich mehr Arbeit, den Platz zum Saisonanfang wieder in Schuss zu bekommen."

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