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Heile Welt

Wie gehen Profis mit Trump um?

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images

Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten stellt nicht nur die politische Kaste seines Landes vor schier unlösbare Probleme. Auch die sonst so betuliche Insel des Profigolfs ist in Aufruhr, denn stillhalten kann niemand, wenn der neue Zampano in Washington zur gemeinsamen Runde lädt. Wie also umgehen mit Donald Trump?

Als San-Francisco-49ers-Quarterback Colin Kaepernick bei den Spielen seiner Mannschaft am 14. und 20. August 2016, während die Nationalhymne gespielt wurde, einfach sitzen blieb und sich nicht wie all seine Kollegen und die mehr als 70.000 Zuschauer im Stadion respektvoll erhob, als "The Star-Spangled Banner" intoniert wurde, fiel das noch niemandem auf. Eine Woche später machte ein Foto des erneut während der Nationalhymne sitzenden Football-Stars auf Twitter die Runde und Kaepernick musste sich erklären. "Ich stehe an der Seite der Menschen, die unterdrückt werden. Wenn sich Grundlegendes ändert und ich das Gefühl habe, dass diese Flagge das repräsentiert, was sie repräsentieren sollte, und dieses Land seine Menschen so vertritt, wie es das sollte, dann werde ich mich für die Hymne wieder erheben." Kaepernick stellte sich damit auf die Seite der Black-Lives-Matter-Bewegung, die seit dem tragischen Tod des afroamerikanischen Teenagers Trayvon Martin in den sozialen Medien weltweit gegen die in den USA weit verbreiteten Probleme der Polizeigewalt und des Racial Profiling protestiert. In den folgenden Wochen protestierten dann auch weitere Spieler während der Nationalhymne, doch Colin Kaepernick trug zu diesem Zeitpunkt bereits den Stempel des unpatriotischen Aufrührers auf der Stirn. Denn dass Kaepernicks Protest in der nicht gerade liberal geprägten Welt der meisten Football-Fans nicht nur Unterstützer fand, liegt auf der Hand.

Springen wir in die Gegenwart: Seit dem Beginn der Football-Saison 2016/17 wurde nicht nur die politische Landschaft der USA, sondern auch die amerikanische Gesellschaft mit dem Wahlsieg Donald Trumps von einem Erdbeben erschüttert. Zwei scheinbar unversöhnliche Lager bestehend aus Liberalen und Konservativen stehen sich gegenüber und als vermeintliche Speerspitze eines Protests afroamerikanischer Bürger für das eigentlich selbstverständliche Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit war der mittlerweile ohne Vertrag dastehende Kaepernick bereits mehrmals das Ziel höhnischer Kommentare des neuen Präsidenten. Zuletzt rief dieser einer euphorisierten Menge bei einer Rallye in Louisville entgegen: "Dieser aus San Francisco, von dem noch nie jemand etwas gehört hat - ich habe einen Artikel in der Zeitung gelesen, dass NFL-Teambesitzer zögern, ihn unter Vertrag zu nehmen, denn sie wollen sich keinen bösen Donald-Trump-Tweet einhandeln."

Seit das Internet den Popstars die gesellschaftliche Relevanz entzogen hat, die sie zwischen Elvis' erstem Hüftschwung und der MTV-Ära für sich beanspruchen konnten, sind Profisportler die globalen Superstars. Dieser Status bedeutet allerdings nicht nur, dass Athleten heutzutage Vermögen wie einst Mick Jagger oder Bono anhäufen können, sondern auch, dass das Vakuum der politischen Meinungsäußerung, das Musiker von Bob Dylan bis Eminem hinterlassen haben, gefüllt werden muss. Heute fordern höchstens noch unverbesserliche Traditionalisten, dass "Sportler sich gefälligst nur um ihren Sport kümmern sollen!", und da der polarisierendste aller Provokateure nicht nur ein bekennender Golfer, sondern auch Inhaber zahlreicher Golfanlagen ist, ist in der Zeitrechnung ab Donald Trump nicht nur Sport, sondern besonders auch Golf zu Politik geworden. Die Gretchenfrage für viele Golffans gerade hier in Europa lautet daher: "Nun sag, wie hältst du's mit dem Trump?"

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ICH EMPFINDE ES ALS MEINE PFLICHT, MIT DEM PRÄSIDENTEN GOLF ZU SPIELEN, WIRD MAN DARUM GEBETEN. WÄRE ES BARACK OBAMA GEWESEN, HÄTTE ICH GESPIELT. WÄRE ES HILLARY CLINTON GEWESEN, HÄTTE ICH GESPIELT.
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Vorbei sind die Zeiten, in denen man sich als Mitglied der PGA Tour in seinem wohl geschützten Kokon bestehend aus Luxusresorts, Limousinen-Services und der gelegentlichen Charity-Veranstaltung jeglicher politischer Stellungnahme entziehen konnte. Die jährlich stattfindenden anonymen Umfragen unter den Spielern der PGA Tour sprechen eine deutliche Sprache, in welche Richtung die Zunft der Profigolfer tendiert. Anfang 2016 stellte "Sports Illustrated" die Frage: "Wenn Hillary garantieren könnte, dass sie die Steuern halbiert und der Gegenkandidat der Republikaner alles beim Alten lassen würde, würdest du für sie stimmen?", und trotz des fiktiven Steuergeschenks antworteten 56 Prozent der Befragten mit Nein. 33 Prozent würden das Präsent annehmen und elf Prozent war alles egal. Im März 2017 wollte das amerikanische "Golf Magazine" wissen, ob die PGA Tour und die USGA keine Turniere mehr auf Trump-Anlagen ausrichten sollten. Das Ergebnis war eindeutig: 88 Prozent stimmten mit Nein, lediglich vier Prozent sprachen sich gegen Trump aus und acht Prozent der Befragten war eine politische Äußerung selbst unter dem Schutz der Anonymität zu heikel.

Als Feiglinge kann man diese acht Prozent allerdings beim besten Willen nicht bezeichnen, denn wie schnell man auch ohne jede Intention in den allgegenwärtigen Sog des Donald Trump gerät, musste Bernhard Langer im Januar erfahren. Während eines ersten Meetings mit Vertretern des Senats und des Repräsentantenhauses erzählte Trump die Geschichte seines "sehr berühmten Golfers und Freundes" Bernhard Langer, der am Wahltag in der Schlange vor einem Wahlbüro in Florida stand, vor und hinter sich nur Menschen, "die nicht aussahen, als würden sie die Erlaubnis zu wählen besitzen." Als deutscher Staatsbürger war Bernhard Langer in dieser Schlange vor dem Wahllokal allerdings der Einzige, der definitiv keine Wahlerlaubnis besaß, und Trump blieb nicht nur die Erklärung schuldig, was der zweifache Masters-Sieger dort am Wahltag zu suchen hatte, sondern auch wie man in Florida allein an äußeren Merkmalen erkennen kann, wer das Recht hat zu wählen und wer nicht. Da spätestens seit seiner Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner die versammelte Weltpresse jede noch so krude Aussage Trumps als Schlagzeile um den Äther schickte, war die Jagd nach verwertbaren Zitaten aus dem Hause Langer groß, und es war Bernhard Langers Tochter Christina, die einmal zu oft ans Handy ihres Vaters ging: "Er ist deutscher Staatsbürger. Er ist nicht mit Präsident Trump befreundet und ich weiß nicht, warum er über ihn spricht." So zitierte die "New York Times" das kurze Gespräch mit Christina Langer und man kann sich vorstellen, dass diese Äußerung für zeitweilige Quellbewölkung im Hause Langer sorgte, schließlich ist der zweimalige Major-Sieger nicht für kontroverse Äußerungen bekannt und versuchte Zeit seines Lebens, sich aus Diskussionen dieser Art herauszuhalten. In der apokalyptisch anmutenden Aufgeregtheit der ersten Tage der Trump-Präsidentschaft wollte diese eigentlich unwichtige Episode um den neuen Commander in Chief, seine Verschwörungstheorien um illegale Wähler und den deutschen Profigolfer allerdings nicht aus den Schlagzeilen verschwinden und Langer sah sich wenige Tage später zu einem Statement gezwungen. "Die geschilderte Wahl-Situation wurde nicht von mir an Präsident Trump übermittelt, sondern mir vielmehr von einem Freund erzählt. Ich gab die Geschichte dann in einer Unterhaltung an einen anderen Freund weiter, der sie an eine Person mit Beziehungen ins Weiße Haus weitergab. Dort wurde es dann missverstanden."

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Dieser Eiertanz um eine angebliche "Fehldeutung der Medien" machte das Dilemma in vollem Umfang deutlich, in dem ein Profisportler steckt, der der Meinung ist, dass seine politische Überzeugung kein Thema für die Öffentlichkeit sei. Mit einer Trump-kritischen Klarstellung der Sachlage, wie sie seine Tochter angedeutet hatte, hätte sich Langer nicht nur den Groll des mächtigsten Mannes in Amerika zugezogen, sondern sich auch in der vorwiegend republikanisch wählenden Golf-Community alles andere als beliebt gemacht. Eine Bestätigung der Behauptungen Trumps hätten dem Deutschen allerdings unmittelbar deutlich gemacht, wie toxisch eine gesellschaftliche Verbindung zu Trump in diesen Zeiten für das eigene Bild in der Öffentlichkeit sein kann, denn im Falle von Rory McIlroy reichte schon eine gemeinsame Runde Golf mit Donald Trump, um einen Shitstorm von veritablen Ausmaßen auszulösen. Auf Twitter musste sich der Weltranglistendritte Beschimpfungen wie "Faschist!" und "Du solltest dich schämen!" gefallen lassen. Rorys Entscheidung, mit Trump auf die Runde zu gehen, trug jedoch zusätzlichen Zündstoff in sich, da er 2016 seine Entscheidung, nicht bei den Olympischen Spielen in Rio anzutreten, unter anderem damit begründete, dass ihm als Nordiren ein Start bei Olympia "zu politisch" sei. Dass eine Runde Golf mit Donald Trump 2017 um ein vielfacher politischer und kontroverser ist als der Jahrzehnte schwelende Nordirland-Konflikt, musste McIlroy auf die harte Tour lernen. Um eine angenehm besonnene Reaktion auf seine Kritiker war McIlroy aber nicht verlegen: "Ich stimme auch nicht mit allem überein, was meine Freunde und meine Familie sagen und tun und trotzdem spiele ich Golf mit ihnen. Ich wurde eingeladen, eine Runde Golf mit dem Präsidenten zu spielen, und egal ob man die Person, die dieses Amt bekleidet, respektiert oder nicht, respektiert man doch das Amt." Rory stellte darüber hinaus klar, dass seine Runde mit Trump "weder eine Werbeveranstaltung noch ein politisches Statement" gewesen sei. "Es war lediglich eine Runde Golf!", twitterte er und man konnte das Augenrollen zwischen den Zeilen förmlich spüren.

Weit weniger diplomatisch äußerte sich Ernie Els, der sich zwei Wochen zuvor mit dem gleichen Problem konfrontiert sah: "Viele meiner Freunde haben nicht für Trump gestimmt. Von ihnen musste ich mir einiges anhören, von wegen ich wäre Speichellecker. Ich meinte nur: ,Fickt euch doch! Ich habe mit dem Präsidenten gespielt und ihr nicht.' Man kann es nicht jedem recht machen." Dass auch Els seine Runde mit dem Präsidenten nicht als politisches Statement verstanden haben möchte, machte er ebenfalls deutlich: "Ich empfinde es als meine Pflicht, mit dem Präsidenten Golf zu spielen, wenn man darum gebeten wird. Wäre es Barack Obama gewesen, hätte ich gespielt. Wäre es Hillary Clinton gewesen, hätte ich gespielt."

Golfrunden amerikanischer Präsidenten sind seit Jahrzehnten ein sensibles Thema, haftet ihnen doch aus der Sicht des einfachen Bürgers ein gewisser elitärer Eskapismus an. George W. Bushs berühmt berüchtigte Ansprache zur terroristischen Bedrohung nach dem 11. September 2001 auf einem Golfplatz, die er mit den Worten "Und nun schaut euch diesen Abschlag an!" beendete, ist das beste Beispiel dafür. Es sind allerdings auch die Kosten solcher Golfabenteuer, die durch all die nötigen Secret-Service-Agenten und natürlich die Nutzung der Air Force One entstehen, entschließt sich der Präsident zu einer spontanen Runde Golf. Barack Obamas Golfrunde mit Tiger Woods 2013 in Palm Beach schlug mit satten 3,6 Millionen Dollar zu Buche.

Zu all diesen Fettnäpfchen ist nun noch das "Problem Trump" hinzugekommen und Profigolfer müssen sich entscheiden, wie sie es mit dem Golfer in Chief halten. Ein Entkommen scheint es nicht zu geben. John Daly machte bereits vor der Wahl keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Trump und gratulierte seinem "guten Freund Donald Trump" noch während der Wahlnacht. Als einziger Golfprofi von internationalem Kaliber gelang es bisher Phil Mickelson, dem Sog des neuen Präsidenten und seiner negativen PR zu entkommen. Mickelson, der laut Caddie John Wood einer der lediglich fünf Liberalen auf der PGA Tour ist, vermied es bisher nicht nur, mit Trump zusammen auf die Runde zu gehen, sondern grinste die Frage nach dessen golferischen Fähigkeiten während eines Interviews mit dem Golf.com-Podcast souverän vom Tisch und erzählte stattdessen die Geschichte, wie er es als Jugendlicher schaffte, Marla Maples - zu jenem Zeitpunkt die zweite Mrs. Trump - einen Schmatzer auf die Lippen abzuluchsen. Leider verfügt nicht jeder Profigolfer dieser Welt über die Gewitztheit und Leichtfüßigkeit eines Phil Mickelson, dem scheinbar noch nicht einmal Donald Trump etwas anhaben kann. Die Tatsache, dass - ganz im Gegensatz zu Colin Kaepernick - bislang noch kein Golfer trotz der politisch turbulenten Zeiten in den USA seinen Job verloren hat, sollte als positives Zeichen gewertet werden. Das Ganze sollte ein Anreiz für Profisportler im Allgemeinen und Profi-Golfer im Speziellen sein, ihrer neuen gesellschaftlichen Rolle etwas häufiger gerecht zu werden und ihre politische Meinung nicht nur am heimischen Esstisch mit der Familie zu teilen.

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