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Allen John

Der gehörlose Golfer

Von Jan Langenbein, Fotos: Privat, Karin Kircher

Einmal Profi und zurück: Als Amateur spielte Allen John seine Gegner reihenweise schwindelig und die Tatsache, dass er von Geburt an hochgradig schwerhörig ist, spielte keine Rolle. Bei den Profis schlug dann leider das Verletzungspech zu, was Allen allerdings eine ganz neue Welt eröffnete, die nun mit dem Gewinn der Goldmedaille bei den Deaflympics einen Höhepunkt fand.

GolfPunk: Bevor wir zum Gewinn der Goldmedaille kommen, gib uns doch bitte einen kurzen Überblick der Zeit, nachdem du als Spitzenamateur im deutschen Golf Profi geworden bist.
Allen John: 2011 bin ich Profi geworden und habe damals auf der EPD Tour gespielt. Mit dem sechsten Platz dort habe ich mich direkt für die Challenge Tour qualifiziert, in der ich 2012 kein wirklich gutes Jahr hatte. Auf der Winter Series der Hooters Tour in den USA habe ich daraufhin meine Form wiedergefunden, doch dann kam leider eine Verletzung am Schambein, die sich als Karrierebruch herausgestellt hat, denn ich war fast zwei Jahre außer Gefecht.

GP: Was macht man in solch einer Situation?
AJ: Ich habe eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann im Golf Club St. Leon-Rot gemacht und vor Kurzem auch abgeschlossen: Zeitgleich habe ich mit reamateurisieren lassen, was ein langwieriger Prozess ist, wenn man auf einer Profitour gespielt hat. Nach zwei Jahren hat das allerdings geklappt und nun spiele ich wieder für die Mannschaft in St. Leon-Rot.

GP: Wie läuft so eine Reamateurisierung ab? Hast du dein altes Handicap wiederbekommen oder musstest du neu anfangen?
AJ: Man muss einen Antrag beim DGV stellen, der wirklich sehr genau geprüft wird. Da ich auf der Challenge Tour gespielt habe, wurde ich mit einer Frist von zwei Jahren belegt, ehe ich wieder ins Amateurlager zurückwechseln konnte, die sich aufgrund meiner Verletzung allerdings auf 13 oder 14 Monate verkürzt hat. Anfang 2015 war ich dann wieder Amateur. Für das Handicap habe ich Runden, die ich zuletzt gespielt hatte, eingereicht. Ich bin mit einem Handicap von etwa +3,5 ins Profilager gewechselt und dieses Handicap habe ich dann 2015 auch wieder bekommen.

Allen John:

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PROBLEMATISCH AUF DEM PLATZ WIRD ES, WENN JEMAND ,FORE!' BRÜLLT. DANN IST ES VON GROSSEM VORTEIL, EINEN CADDIE DABEIZUHABEN, DER DAS HÖREN KANN.
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GP: Während deiner ersten Amateur- und der Profizeit hat die Tatsache, dass du von Geburt an hochgradig schwerhörig bist, eigentlich keine Rolle gespielt. Wie kam es dazu, dass du nun auch in den Gehörlosensport eingestiegen bist?
AJ: Auch vor meiner Profizeit gab es schon Kontakt zum Gehörlosensport, aber ich hatte damals noch die naive Einstellung, dass das Niveau dort nicht so hoch sei. Ich wollte mich immer mit den Besten messen und fand es etwas unfair, mit einem Handicap von +3,5 bei den Gehörlosen anzutreten. In Nachhinein klingt das etwas engstirnig, ich weiß. Seit ich reamateurisiert bin, wollte ich den Kontakt zur Gehörlosen-Community stärker aufbauen, denn den gab es vorher nur bedingt. Das hat mir wirklich die Augen geöffnet, da es eine Behinderung ist, die nur selten den Weg in die Öffentlichkeit und die Medien findet. Ich habe gemerkt, dass ich mit meiner Geschichte und meinen Erfahrungen im Leistungssport mit Normalhörenden etwas mehr Aufmerksamkeit auf den Gehörlosensport und Events wie die Deaflympics lenken kann.

GP: Seit wann bis du nun in der Gehörlosen-Golf-Community aktiv?
AJ: Im vergangenen Jahr bin ich aktiv dazugestoßen und habe bei den Deutschen Meisterschaften und bei den Weltmeisterschaften mitgespielt und beide gewonnen. Den Kader konnten wir seither um drei bis vier Spieler erweitern und wir spüren, wie die Community weiter wächst. Ich möchte mithelfen zu verhindern, dass Talente nur aufgrund einer Gehörlosigkeit übersehen werden. Wäre ich damals nicht von selbst zum Golf gekommen, wäre es sicherlich leicht gewesen, mein Talent zu übersehen.

GP: Bei den Deaflympics im Juli in der Türkei hast du die Goldmedaille gewonnen. Was waren deine Eindrücke vom Event abseits des Golfplatzes?
AJ: Es war interessant, mit den anderen Athleten zusammenzutreffen und den Unterschied zwischen den Schwerhörigen wie mir, die normal sprechen können, und den Spielerinnen und Spielern, die sich ausschließlich in Gebärdensprache unterhalten, kennenzulernen. In diesen Fällen habe ich einen Dolmetscher gebraucht, denn Gebärdensprache beherrsche ich noch nicht.

GP: Und wie hast du das Leistungsniveau der Teilnehmer im Golf wahrgenommen?
AJ: In der Breite ist die Leistungsdichte im europäischen Gehörlosen-Golf nicht mit einer British Amateur Championship im normalen Amateurgolf zu vergleichen. Aber es gibt in Europa und dem Rest der Welt definitiv herausragende Talente im Gehörlosen-Golf. Wir Schwerhörigen spielen bei den Deaflympics ohne jegliche Hörgeräte, damit für alle die gleichen Bedingungen herrschen, und dann wird richtig gutes Golf gespielt.

GP: Macht es für dich einen Unterschied, ob du mit oder ohne Hörgerät Golf spielst?
AJ: Das Feedback eines Golfschlags bekomme ich schon immer lediglich über das Gefühl und die Haptik, nicht über den Klang des Treffers. Beim Mannschaftstraining kommt es schon vor, dass Teamkollegen sagen: "Der hat sich ein wenig fett angehört", aber ich weiß, dass das ein guter Schlag war, da ich es in den Finger gespürt habe. Es kann deshalb auch ein Vorteil sein, die Hörgeräte abzulegen, da keine störenden Einflüsse von außen mehr hörbar sind. Meine erste Runde ohne Hörgeräte war allerdings auch extrem anstrengend, denn man ist vollkommen in seiner eigenen Welt abgekapselt. Wenn plötzlich alle Geräusche, die einem das Hörgerät vermittelt, weg sind, ist das mental enorm kräftezehrend: Man fühlt sich ein wenig wie ein U-Boot unter Wasser. Mit Ausnahme von Regenrunden, bei denen ich die Hörgeräte für ein paar Löcher rausnehmen musste, um sie vor Wasser zu schützen, habe ich zuvor nie ohne Hörgeräte gespielt. Aber das klappt mittlerweile sehr gut.

GP: Hattest du bei den Deaflympics einen Caddie dabei? Und wie kommunizierst du auf dem Platz ohne Hörgeräte und ohne Gebärdensprache?
AJ: Meine Freundin war als Caddie mit bei den Deaflympics. Auch ohne Hörgeräte kann ich ganz normal sprechen, und wenn sie mir etwas sagt, dann versuche ich, von den Lippen abzulesen. Lippenlesen hat man als Gehörloser perfektioniert. Problematisch wird es auf dem Platz, wenn jemand "Fore!" brüllt. Dann ist es von großem Vorteil, einen Caddie dabeizuhaben, der das hören kann. [lacht]

 

Steckbrief

Name: Allen John (GER)
Alter: 29 Jahre
Profi von: 2011-2015
Wohnort: Walldorf
Lieblingsverein Fussball: BVB
Lieblingsverein Eishockey: Pittsburgh Penguins
Erfolge:
• 2011 Haugschlag NÖ Open (EPD Tour)
• 2016 Weltmeisterschaft der Gehörlosen
• 2017 Deaflympics

GP: Wie viele Teilnehmer gab es bei den Deaflympics und hattest du mit deinem unglaublichen Handicap dort überhaupt echte Konkurrenz?
AJ: Das Teilnehmerfeld bei den Herren war leider nur 32 Mann stark. Es gibt viel mehr potenzielle Teilnehmer, doch die Deaflympics werden nicht in jeder Nation von der Sportförderung unterstützt. Die Sportler müssen die Kosten deshalb selbst tragen. In Australien gibt es einige sehr starke gehörlose Golfer, da es aber keine Unterstützung vom Staat gibt, konnten sie nicht teilnehmen. Die ersten beiden Runden wurde Zählspiel gespielt und es folgte für die 16 Besten Matchplay. Das Finale war ein wirklich würdiges Match. Ich habe sechs unter Par gespielt und mein Gegner aus England ebenfalls. Am ersten Extraloch habe ich dann gewonnen. Ich muss wirklich sagen, dass ich in dieser Woche in der Türkei mein bestes Golf gespielt und den Platz regelrecht auseinandergenommen habe. Im Halbfinale habe ich ebenfalls gegen einen Briten gespielt und lag nach 13 Löchern acht unter Par. Er lag zwei unter Par, was eine wirklich gute Runde war. Ich hatte jedoch schon zwei Eagles und vier Birdies auf der Scorekarte, dagegen kann man im Matchplay wenig ausrichten. Mein Gegner im Finale ist mit Handicap +1 angetreten, hat ebenfalls tolles Golf gespielt und mir alles abverlangt.

GP: Kann dich angesichts deines starken Spiels die Goldmedaille bei den Deaflympics überzeugen, einen zweiten Anlauf in Richtung Profikarriere zu starten?
AJ: Den Gedanken hatte ich schon vor den Deaflympics und natürlich bringt so ein Erfolg Bestätigung und Selbstvertrauen mit sich. Als Amateur bin ich letztes Jahr ins Feld der Omega European Masters und der Porsche European Open gekommen und konnte Profiluft auf der European Tour schnuppern. Wenn ich mein heutiges Golf mit meiner Form von 2012 auf der Challenge Tour vergleiche, so bin ich überzeugt, dass ich heute besser spiele als damals. Ich bin stolz auf meinen Erfolg bei den Deaflympics, denn das ist nicht nur eine olympische Medaille, sondern die erste Goldmedaille im Golf für Deutschland überhaupt. Daraus könnte sich auch die Möglichkeit ergeben, sich für den Golfwettbewerb bei den Olympischen Spielen 2020 zu qualifizieren. Ich möchte das auf jeden Fall versuchen und für andere Gehörlose ein Vorbild sein, indem ich beweise, dass man auch bei Normalhörenden mithalten kann.

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