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Freddy Schott

Der Nächste, bitte!

Von Jan Langenbein, Fotos: Mike Meyer

Der Stoff, aus dem Hollywood-Streifen sind: Anfang 2022 musste sich Freddy Schott noch durch Quali-Runden kämpfen und nun ist er mit DP-World-Tour-Karte in der Tasche drauf und dran, Germany's next Topgolfer zu werden.

Als Freddy Schott zum ersten Mal während unseres gemeinsamen Abends bei Topgolf in Oberhausen zum Driver greift, peitscht ein Knall durch die riesige Driving Range, den man hier in dieser Form wahrscheinlich noch nicht gehört hat. Der zehnjährige Sprössling einer vierköpfigen Familie, die in der Hitting Bay links von uns einen netten Abend verbringt, dreht sich wie vom Blitz getroffen um und beobachtet mit offenem Mund, wie Freddys Ball unverschämt weit oben im mehr als 200 Meter entfernten Fangnetz einschlägt. "Wow!", staunt der Kleine, der, wie er mir später erzählt, zum ersten Mal einen Profi-Golfer hautnah erlebt. "Freddy ist schon richtig gut, oder?" - "Kann man wohl sagen", nicke ich bestätigend und hole zu einem Monolog aus. "Freddy ist zurzeit einer der besten deutschen Golfer, hat sich in diesem Jahr aus den Niederungen der zweiten Golfliga bis ganz nach oben gespielt und wird nächstes Jahr im europäischen Oberhaus mitspielen. Er kommt hier ganz aus der Nähe, und obwohl er erst vor weniger als zwei Jahren Profi geworden ist, hat er bereits ein Turnier auf der Challenge Tour gewonnen." Eigentlich möchte ich noch von Dingen wie Monday-Qualifiern, die Freddy zu Beginn der Saison noch spielen musste, seinem Mentor und Local Hero Marcel Siem und Freddys Driving Average auf der Challenge Tour sprechen, doch für diese Schwärmereien eines Golf-Nerds hat der Grundschüler kein Ohr mehr. Er sieht nur, wie Freddy einen Ball nach dem anderen auf immer gleichen Flugbahnen ins Netz am anderen Ende der Range drischt. Der Krach, den Freddy mit diesen Schlägen veranstaltet, hat mittlerweile auch den feuchtfröhlichen Junggesellenabschied in der Abschlagbox rechts von uns verstummen lassen. Mit Biergläsern in der Hand schauen sich die Mittzwanziger an, welche schwer zu fassenden Zahlen der Toptracer nach jedem Drive auf dem Flatscreen über unseren Köpfen anzeigt. "Hey Martin, der Typ schlägt den Ball mehr als viermal so weit wie du", muss sich der Bräutigam in spe unter höhnischem Gelächter anhören.

Unbeeindruckt von all der Aufmerksamkeit schlägt Freddy weiter Bälle, während wir belustigt beobachten, welche Faszination die Kombination aus roher Kraft und simpler Eleganz eines Profischwungs auf Nicht-Golfer ausüben kann. Erst als unsere Chicken Wings und die Getränke gebracht werden, ist Schluss mit der Golf-Peepshow, und während wir uns zum Interview aufs Sofa hinter der Abschlagmatte fläzen, machen sich die Gäste links und rechts unserer Bay wieder daran, ihre Bälle in Richtung der verschiedenfarbig illuminierten Ziele zu toppen und zu slicen.

Zu Beginn des Jahres hast du dich noch über die Monday Qualifier ins Hauptfeld von Challenge-Tour-Events kämpfen müssen. Mittlerweile bist du dank deines Siegs längst gesetzt. Wie groß ist der Unterschied, ob du dich qualifizieren musst oder sicher im Feld bist?
Der Unterschied könnte krasser kaum sein. Wenn man sicher im Feld ist, kann man den Montag als Reisetag nutzen und entspannt beim Event ankommen. Steht ein Monday Qualifier an, muss man entweder am Sonntag oder montags sehr früh anreisen, um eine Proberunde spielen zu können, da die Qualifikation auf einem anderen Platz stattfindet. Trotz des Namens werden die Qualifier am Dienstag gespielt. Dort muss man dann mindestens vier oder fünf unter Par schießen, um ins Hauptfeld zu kommen. Sollte man das schaffen, bleibt nur noch der Mittwoch, um sich auf dem Turnierplatz vorzubereiten.

Kann man bei dem Pensum überhaupt den Spannungsbogen aufrechterhalten?
Beim Monday Qualifier muss am Dienstag bereits der Fokus bei 100 Prozent liegen. Hält man die Anspannung von Dienstag bis Sonntag auf Turnierniveau, ist der Akku am Ende einer Woche absolut leer und man ist völlig im Eimer. An einen erneuten Einsatz in der Woche darauf ist kaum zu denken. Gerade was das Einteilen der eigenen Kraftreserven angeht, habe ich in diesem Jahr viel über mich gelernt. Meine Regel ist mittlerweile: Am Sonntag gönne ich mir eine gute Nacht und gehe mit den Jungs feiern, um Dampf abzulassen und einen Abschluss für die Woche zu finden. Spaß muss schließlich auch sein.

Freddy Schott: Die Faust sitzt: Ryder-Cup-GeneralprobeFreddy Schott: Die Faust sitzt: Ryder-Cup-Generalprobe
Die Faust sitzt: Ryder-Cup-Generalprobe

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Mir ist klar geworden, dass ich ganz einfach Freddy sein und mich auf dem Golfplatz so präsentieren möchte, wie ich mich fühle.
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Wie sah der Sonntagabend nach deinem ersten Sieg auf der Challenge Tour in Dänemark aus?
Viel wichtiger war der Sonntag davor: Nach meinem geteilten neunten Rang in Helsinki waren wir bis um sechs Uhr am Montagmorgen feiern und saßen um acht Uhr im Flugzeug Richtung Dänemark. Dort war der Kopf frei und ich konnte mich voll auf die folgende Woche konzentrieren. Mit Erfolg! Als der Sieg in Dänemark unter Dach und Fach war, hatte ich etwas Zeit, im Clubhaus zu mir zu kommen und alles zu verarbeiten. Die Emotionen, gerade gewonnen zu haben, waren unglaublich und ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass ich noch nie so ein überwältigendes Gefühl gespürt habe. Danach gingen wir feiern und Dominic Foos war so nett, mich am Montag im Auto mit nach Schweden zum nächsten Turnier zu nehmen.

Von Monday-Qualifiern zum Führenden der Saisonwertung: Kam dieser Erfolg für dich über Nacht oder war das ein Prozess?
Das war der größte Prozess, den ich in meinem bisherigen Leben durchlaufen habe. Ich hatte letzten Sommer zwei Einladungen auf die DP World Tour. Als es danach wieder auf die Challenge Tour nach Tschechien ging, fühlte ich mich körperlich nicht gut und ich hatte Rückenprobleme. Eigentlich hätte ich in dieser Woche nicht gespielt, doch ich habe mich vor dem Turnier mit Holger, meinem Mentaltrainer, darüber unterhalten und wir beschlossen, ein wenig Speed rauszunehmen und jeden Schlag nach Gefühl zu spielen. Ich wurde dann völlig unverhofft Vierter. Also haben wir um dieses Gefühl herum, wie locker ich sein kann und was ich auf dem Golfplatz ausstrahlen möchte, gearbeitet und sind die kommenden Wochen auf diese Art angegangen. Mir ist klar geworden, dass ich ganz einfach Freddy sein und mich auf dem Golfplatz so präsentieren möchte, wie ich mich fühle.

Wie hast du deine vielen Top-Ten-Ergebnisse in dieser Saison betrachtet: positiv oder doch als knapp verpassten Sieg?
Am Anfang positiv, da ich mir sagen konnte: "Ich habe gut gespielt und Spaß gehabt." Als ich beim Event in Österreich mit drei Schlägen Vorsprung in die Schlussrunde ging und mit zwei Schlägen Rückstand verlor, habe ich mich aber echt geärgert und dachte: "Alter! Jetzt ist wirklich genug!" In Finnland lag ich nach einer 63 in Runde zwei wieder in Führung und bin nach einer schlechten dritten Runde am Ende Achter geworden. Ab da hab ich mir vorgenommen: "Ich komme nur noch zum Gewinnen auf den Golfplatz."

Die Challenge Tour kann für Spieler wie dich nur Durchgangsstation sein, oder?
Ja. Auf der Challenge Tour zu spielen macht riesigen Spaß, es ist eine sehr familiäre Tour. Aber alle dort haben dasselbe Ziel: eine Etage höher zu spielen. Deshalb auch mein früher Wechsel ins Profilager. Ich habe mir zu Beginn drei Jahre gegeben, um auf die DP World Tour zu kommen. Hätte das nicht funktioniert, hätte ich mir Gedanken gemacht, ob Golfprofi überhaupt das Richtige für mich ist.

Wie alt warst du, als du zum ersten Mal Handicap 0 hattest?
Mit 13 oder 14 Jahren wurde ich im Golfclub Op de Niep Herren-Clubmeister und fühlte mich natürlich großartig. Damals ging das Handicap auch erstmals in den Plusbereich.

Hast du mit dem Gedanken gespielt, nach der Schule in die USA zu gehen und College-Golf zu spielen?
Mein Jahrgang wurde mit Angeboten von Colleges und Agenturen aus Amerika extrem bombardiert. Vor vier Jahren habe ich täglich über Instagram ein bis zwei Nachrichten von Colleges und den Coaches dort bekommen. Amerika ist schon cool, aber man muss als Mensch dorthin passen und diesen Lifestyle wirklich leben. Genauso wie man das Leben als Jungprofi wirklich wollen muss. Ich habe mir das angeschaut und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mehr der selbstbestimmte Typ und damit am College falsch bin. Die Entscheidung im Januar 2021, im Alter von 19 Jahren bereits Profi zu werden, hing auch damit zusammen, dass ich mich eben nicht in diese starren Strukturen begeben, sondern selbstbestimmt mein Leben anpacken wollte.

Freddy Schott:
Das bequeme Amateurleben so früh aufzugeben war aber auch ein Risiko, oder?
Mag sein, aber nachdem ich 2019 mein Abi gemacht hatte, habe ich noch ein Jahr die großen Amateurturniere gespielt und schnell gemerkt, dass mir das keinen Spaß mehr bringt und ich den nächsten Schritt gehen wollte. Und der war ganz klar: Profi werden. Ich wollte mich möglichst schnell dem Druck des Profilebens aussetzen, um zu sehen, ob ich in diesem Umfeld bestehen kann.

Gelingt es dir, einen schlechten Schlag mental schnell abzuhaken, und gleich an den nächsten zu denken?
Nein! Ich arbeite schon lange daran, schlechte Schläge schneller zu vergessen. Ich weiß aber auch, dass es mir bis zu einem gewissen Maß guttut, meinen Ärger rauszulassen - den Kopf einmal durchzublasen sozusagen.

Dein langjähriger Viererpartner im Düsseldorfer Golf-Club ist bekannt dafür, seine Emotionen immer offen vor sich herzutragen. Dagegen wirkst du beinahe wie ein Chorknabe…
[lacht] Na ja, ich weiß nicht, ob "Chorknabe" die richtige Bezeichnung ist…

Marcel Siem hat früh die Rolle eines Mentors bei dir übernommen. Wie sehr hat dich das geprägt und wie kam es dazu?
Ganz klar: Ohne Marcel wäre ich golferisch heute nicht da, wo ich bin. Wir sind zum ersten Mal als Team in der Bundesliga angetreten, als ich 16 Jahre alt war. Marcel ist damals ganz locker zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich das machen möchte. Er war eines meiner großen Idole und plötzlich stand ich mit ihm am ersten Abschlag und hatte natürlich die Hosen voll. [lacht] Ich war damals zwar mit Handicap +3 der Local Hero im Club, doch wenn plötzlich ein gestandener TourPro, den man aus dem Fernsehen kennt, vor einem steht und sagt: "Komm, Junge, lass mal zocken!", dann zählt dieser Status natürlich nicht viel. Aber ich erinnere mich noch, dass die Atmosphäre locker war und Marcel mir schnell die Nervosität genommen hat.

Profitierst du heute noch von Marcels Hilfe?
Natürlich. Er hat mir sehr früh sehr tiefe Einblicke ins Profileben gegeben und von ihm habe ich gelernt, dass man sich etwas trauen muss. Marcel ist heute ein sehr guter Freund und ich habe auch eine sehr enge Bindung zu seiner Familie. Wenn es mir schlecht geht oder ich schlecht spiele, kann ich mich jederzeit bei ihm melden. Wir sind uns in einigen Aspekten sehr ähnlich und auch unsere Art, Golf zu spielen, ähnelt sich. Marcel hat mir bereits früh gezeigt, dass das Leben als Golfprofi nicht immer nur wie im Bilderbuch abläuft, und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Du bist auch aushilfsweise als Caddie bei ihm eingesprungen. Was war das für eine Erfahrung?
Ja, das war 2020 in Österreich in Adamstal. Ich habe während dieser Tage unfassbar viel gelernt. Seither bin ich der Meinung, dass man junge Amateure, die mit dem Gedanken spielen, das später einmal beruflich machen zu wollen, viel früher an das Profigolf heranführen und damit konfrontieren sollte. An der Tasche von Marcel habe ich so viel gesehen, von dem ich dachte: "Hey! Ich kann das auch." Mir ist bewusst geworden, dass die Jungs auf der European Tour nicht wirklich anders spielen als ich. Ich bin direkt danach ohne jedes Training zu einem Amateurturnier nach Berlin gefahren und habe gewonnen - nur weil ich in den Tagen zuvor so viel gelernt hatte.

Gibt es einen Moment, auf den du nach dieser Saison besonders stolz bist?
Ich denke, es wäre merkwürdig, wenn dies nicht der Sieg in Dänemark wäre. In dieser Woche ist so viel in mir passiert und ich bin einfach unglaublich glücklich mit dem Menschen, der ich sein darf. In gewisser Form bin ich in diesem Sommer vom Jungen zum Mann geworden und denke jetzt manchmal auch ein wenig mehr nach. [lacht]

Freddy Schott: Abends halb zehn bei Topgolf: warten auf die Chicken WingsFreddy Schott: Abends halb zehn bei Topgolf: warten auf die Chicken Wings
Abends halb zehn bei Topgolf: warten auf die Chicken Wings
Ich habe dich bei der Big Green Egg German Challenge zum ersten Mal live Golf spielen sehen. Die Art und Weise, wie du in Bayern aufgetreten bist, hat gezeigt, wie ernst du deinen Job nimmst und dass du nicht gekommen bist, um zu daddeln...
Es ist nur ein schmaler Grat zwischen Selbstbewusstsein und Arroganz. Auf dem Platz möchte ich auf keinen Fall arrogant auftreten, denn ich denke, das bin ich nicht. Aber natürlich bin ich im Wittelsbacher GC selbstbewusst aufgetreten, schließlich war es mein Heim-Event. Ich war der beste Deutsche im Feld und habe mich super gefühlt. Daran möchte ich die Zuschauer teilhaben lassen.

Wenn du spielfrei hast, wie lange schaffst du es, keinen Schläger anzufassen?
Mittlerweile ist es kein Problem, auch mal eine golffreie Woche zu haben. Das ist ebenfalls ein Prozess, an dem ich gearbeitet habe, denn vor zwei Jahren wäre das undenkbar gewesen. Ich hatte viel mit schlechtem Gewissen zu kämpfen und konnte kaum loslassen. Es fiel mir sehr schwer, meinen Beruf mit der nötigen Lockerheit anzugehen. Ich musste mich damals zum Schlafen zwingen, weil die Gedanken am Abend um den Wecker rasten, der morgens um sechs zum Training klingeln wird. In dieser Hinsicht bin ich viel effizienter geworden und trainiere während Turnierwochen nur wenig. Ein bis zwei Wochen halte ich ohne Golf schon durch, aber irgendwann kribbelt es in den Händen. Das ist die Leidenschaft, die jeder Golfprofi in sich trägt.

Hast du dir Ziele für die kommende Saison gesetzt?
Das Primärziel ist auf jeden Fall, die Tourkarte zu halten und meine Rolle auf der neuen Tour zu finden. Man darf nicht vergessen, dass ich der Neue in diesem Umfeld sein werde und ich viele der neuen Mitspieler noch nicht wirklich kenne. Auch auf der DP World Tour werde ich wieder neu lernen müssen, wer ich in diesem Kreis sein möchte und kann.

Machst du dir nach einem solchen Jahr Gedanken über die USA und die PGA Tour?
Ja klar, aber das ist wirklich ein sehr ferner Gedanke. Die Aufgabe DP World Tour ist im Moment viel zu präsent, als dass ich mir über andere Dinge einen Kopf machen könnte. Natürlich schaue ich auch über den Teich und denke, dass dies der nächste Schritt werden könnte. Die Tatsache, dass ich aufgrund der kosanktionierten Turniere der DP World und der PGA Tour im nächsten Jahr auch in Amerika spielen kann, verursacht Gänsehaut.

Gibt es ein Turnier im kommenden Jahr, das du ganz besonders im Auge hast?
Klar, Dubai zum Beispiel. Man hat das 18. Loch schon so oft im Fernsehen gesehen, dort selbst spielen zu können wäre großartig. Ich freue mich auch sehr auf die BMW International Open und die Porsche European Open. Nun als vollwertiges DP-World-Tour-Mitglied werden diese Heimspiele sicherlich eine sehr emotionale Sache werden.

 
Steckbrief

Steckbrief

NAME
Frederik Schott

ALTER
21 Jahre

WOHNORT
Düsseldorf

PROFI SEIT
2021

ERFOLGE
· 2020: GTGA Invitational Berlin (Amateur)
· 2022: Fredrikshavn Challenge (Challenge Tour)
· T3 Euram Bank Open (Challenge Tour)
· 4. Blot Open De Bretagne (Challenge Tour)

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