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Golfpunks dieser Welt:

Tony Jacklin

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

Zweifacher Major-Sieger, einer der besten britischen Golfer aller Zeiten, Golf Hall of Fame, aber vor allem federführend in der Auferstehung des Teams Europa im Ryder Cup. Die Rede ist natürlich von keinem Geringeren als Tony Jacklin.

Engländern gelingt es beizeiten durchaus, die Dämonen der eigenen Sportgeschichte zu vertreiben oder zu neuen sportlichen Erfolgen zu stürmen. Ganz offensichtlich sprechen wir nicht vom Fußball, sondern meinen die beeindruckende Geschichte des Anthony "Tony" Jacklin, der aus der Arbeiterklasse heraus bis in die höchsten Höhen seines Sports aufsteigen sollte.

Am 07. Juli 1944 erblickt in Scunthorpe/ Lincolnshire im rauen Norden Englands der beste britische Golfer seiner Generation das Licht der Welt. Die Industriestadt ist bis heute das Zentrum der Stahlproduktion im Vereinigten Königreich. "Es gab Zeiten […] unfassbar langer Trainingseinheiten mit Bill Shankland und selten war ich mit dem, was ich tat, zufrieden!" Jacklin, durch seine Herkunft gestählt, arbeitet hart an sich. Seit er denken kann, spielt er Golf.

Obwohl sein Talent offensichtlich ist, hegen seine Eltern die Befürchtung, eine Karriere in diesem Sport könne zu unsicher sein. Ob seine Abneigung gegenüber der Mutter wohl hierher rührt? "Ich glaube nicht, dass Blut dicker ist als Wasser." Das Verhältnis wird Zeit ihres Lebens angespannt bleiben.

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Ich lief in dieser Woche über Wasser. Wenn ich in diesen Zustand komme, ist alles ganz klar. Ich bin dann in einer Blase purer Konzentration.
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Als junger Mann ist er in einer Anwaltskanzlei beschäftigt, die ihm erlaubt, nachmittags an seinem Spiel zu feilen. 1962 wagt er im Alter von 17 Jahren den Schritt, Profi zu werden. Bereits 1964 erringt er seinen ersten Sieg auf der Insel und seine Karriere nimmt schnell Fahrt auf. Besser noch: Zwischen 1969 und 1972 ist es seine Brillanz, die nicht nur das britische Golf revitalisiert, sondern schlussendlich auch Europa aus der Bedeutungslosigkeit hievt. Viele sehen in Jacklin so etwas wie den Arnold Palmer auf der anderen Seite des Atlantiks. In diesen Jahren überstrahlt er die großen drei seiner Zeit Arni, Jack und Gary. Nicht nur sportlich, sein Auftreten und seine souverän-bescheidene Art machen ihn zu einem Liebling unter den Kollegen auf den Touren.

Aber der Reihe nach. 1968 gewinnt er das Jacksonville Open Invitational auf der PGA Tour. Als erster Europäer seit den 1920er-Jahren reckt er eine US-Trophäe in den Himmel. Nur ein Jahr später wird Tony ein Held auf der Insel, als er sich bei den Open in Royal Lytham & St Annes zum Champions Golfer of the Year krönt. Als erster Engländer seit beinahe zwei Jahrzehnten wird sein Name auf der Claret Jug verewigt. Nur ein Jahr später, nach Amerika gekommen, um gegen die Besten anzutreten, gewinnt er die US Open in Hazeltine. Er dominiert die Konkurrenz und das in brutalen Bedingungen. Die drei Granden schießen sich am ersten Tag mit 80er-Runden aus dem Turnier. Als Einziger bleibt er nach vier Tagen unter Par, sieben Schläge Vorsprung. "Ich lief in dieser Woche über Wasser." Es ist der erste Sieg eines in Europa geborenen Spielers seit Tommy Armour - 1927. "Wenn ich in diesen Zustand komme, ist alles ganz klar. Ich bin dann in einer Blase purer Konzentration."

Dass ihm diese Erfolge einen Platz im Kader des Ryder Cup bescheren, versteht sich von selbst, damals noch eine rein britisch-irische Ansammlung von Golfern. Er ist von 1967 bis 1977 fester Bestandteil des Teams, doch es folgt Niederlage auf Niederlage gegen die übermächtigen Amerikaner. Nur einmal reicht es zu einem Unentschieden. 1969, Jacklin im letzten Flight mit - wie könnte es anders sein - dem "goldenen Bären". Jacklin gelingt es an der 17, das Match gegen Nicklaus mit einem Eagle auszugleichen. An der 18 - den US-Amerikanern ist die Titelverteidigung bei einem Unentschieden sicher - finden beide das Grün in Regulation. Nach seinem Tap-in für Par hebt Jack den Marker seines Kontrahenten mit den sinngemäßen Worten auf: "Ich bin mir sicher, dass du den lochst. Ich will dir jedoch nicht die Chance geben, es nicht zu tun."Nicklaus' Kontrahent ist noch Jahre später ob dieser Geste verdutzt: "Und dann hebt er seinen Ball und meinen Marker auf!" Dieser Akt des Sportsgeists ist im kollektiven Golfgedächtnis als "The Concession" verankert. Seit diesem Tag sind die beiden Ausnahmegolfer, die feixend und Arm in Arm vom Grün gehen, Freunde.

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Nichtsdestotrotz 1972, The Open Championship in Muirfield. Hier erlebt dann auch Tony Jacklin seinen ganz eigenen "Elfmeterschießen-Moment". Als geteilter Führender mit Lee Trevino steht er an der 71. Bahn, ein Par 5, vor einem machbaren Dreimeter-Putt. Das Momentum ist auf Jacklins Seite, denn der Texaner liegt nach vier suboptimalen Schlägen immer noch nicht auf dem Grün. Doch wie aus dem Nichts locht Trevino seinen Chip und Jacklin, sichtbar konsterniert, produziert einen Drei-Putt. Er muss ein Bogey notieren, geht mit einem Schlag Rückstand auf die letzte Teebox und verliert wenig später das Turnier. Mit gerade mal 28 Jahren markiert diese Niederlage seinen persönlichen Scheideweg. "Ich war nie wieder derselbe. Mein Kopf hat das nie gerade gekriegt, nie richtig verarbeitet - es hat definitiv etwas in mir verändert", resümierte Jacklin Jahre später das Geschehene. Er wird auch später noch Turniere gewinnen, aber so nah an einen Major-Sieg kommt er nie wieder. 1982, gerade siegreich bei der britischen PGA Championship, schließt er letztendlich mit dem Golfsport ab: "Ich hatte genug. […] Es ist das Einzige, was mich nicht mehr fröhlich macht.

Golf mag ein Einzelsport sein. Aber der interkontinentale Teamwettbewerb stellt wohl Jacklins nachhaltigstes sportliches Vermächtnis dar und weckt seine Passion für den Golfsport aufs Neue. Beinahe wie ein Omen wirkt da der freundschaftsstiftende Moment mit Jack Nicklaus beim Ryder Cup 1969 im Royal Birkdale Golf Club. Nicht nur ist Jacklins Name wie beschrieben in einem ikonischen Moment verewigt, sondern auch untrennbar verbunden mit der Wiederauferstehung des europäischen Teams als ernst zu nehmendem Gegner für die US-Amerikaner, die lange Jahre nur die eigene Dominanz kennen. Trotz der Golfmüdigkeit akzeptiert der Brite 1983 die Rolle des europäischen Kapitäns in diesem Wettkampf. Die Dominanz der US-Amerikaner ist zu diesem Zeitpunkt erdrückend. In den frühen Jahren der 1980er-Jahren jedoch formt sich eine Front vielversprechender europäischer Spitzengolfer: Seve, Langer, Faldo oder Ian Woosnam, um nur einige zu nennen. Und endlich, der Cup in diesem Jahr ist wieder ein Wettkampf und keine Krönung. Mit nur einem Punkt Differenz muss sich Europa im PGA National Golf Club nur sehr knapp geschlagen geben. Es ist eine Niederlage, die nicht nur motiviert, sondern, mehr noch, sie manifestiert einen neuen Spirit im Team Europa. Einen Spirit, den auch die Teams der letzten Jahre immer wieder beschwören. Ian Poulter vorneweg, Rory, nicht zuletzt Martin Kaymer und sein siegbringender Putt 2012 - es ließe sich eine ganze Ode an die Power des europäischen Teams erzählen. Und Anthony "Tony" Jacklin ist derjenige, der dieses Fundament gelegt hat. So ist es nur folgerichtig, dass zwei Jahre später eine fast 30 Jahre währende Durststrecke ihr Ende findet. Heimspiel und Heimsieg in England, in seiner Heimat, die jungen Wilden um Seve fertigen die US-Boys im The Belfry souverän ab. Dass die Truppe zwei Jahre später erstmals in der Geschichte des Wettbewerbs auch in den Staaten den Cup in den Himmel reckt, ist… legendär!

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In diese Jubelarien hinein fällt dann ein dramatischer Schicksalsschlag. Vivian, seine erste Frau, stirbt urplötzlich an einem Hirnschlag. Die beiden sind 22 Jahre lang verheiratet und haben drei Kinder. Der Ryder-Cup-Held ist am Boden zerstört. "Es ist nicht zu verstehen, wenn man eine geliebte Person verliert. Ich wollte nicht mehr und hatte die schlimmsten Gedanken!" Seine Strategie der Verarbeitung ist so menschlich, wie sie auch fragwürdig ist. Komplett am Boden trifft er nur wenige Wochen später eine Kellnerin namens Donna Methven. Sie ist gerade einmal 16 Jahre alt. Verwerflich? Natürlich verursacht diese zweimonatige Liaison ihren Widerhall in den Boulevardmedien und das ist nicht überraschend. "Ich war an meinem tiefsten Punkt und sie bot mir die Schulter zu weinen!" Wie er selbst einräumte, sei es nicht einfach zu verstehen, allerdings findet Jacklin ebenso wieder auf die Beine. Er heiratet wenig später weniger kontrovers und gewinnt auch auf der Champions-Tour noch zwei Turniere.

Vier PGA-Tour-Siege, achtmal erfolgreich auf der damals neu geschaffenen European Tour, dazu seine unübersehbaren Fußspuren in der Historie des Ryder Cup: Jacklins Aufnahme in die Hall of Fame des Golfs 2002 war somit nur folgerichtig. 2013 bewies seine Teilnahme an der BBC-Show "Strictly Come Dancing", dass er auf den Fairways besser auf gehoben ist als auf dem Tanzparkett, schließlich flog er als erster Promi-Teilnehmer aus der Show. Doch wie man es von Tony Jacklin erwarten konnte, nahm er diese "Niederlage" mit Humor. Kein Wunder bei solch einem Trophäenschrank.

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