In den darauffolgenden Jahren geschah jedoch herzlich wenig. Ein zweiter Platz bei den Andalucia Open war das Highlight in Olis früher Profikarriere gefolgt von einem 51. Rang in der Order of Merit 2008. Solide Arbeit, aber weit entfernt vom Sturm auf die Weltspitze, den so manch einer prophezeit hatte.
Dann allerdings zeigte sich der Golfsport wieder einmal von seiner sadistischen Seite und Oli beendete die Saison 2009 auf dem verhassten 125. Platz der Rangliste. Das einstige Supertalent hatte seine Tourkarte verloren. Dank einiger Sponsoreneinladungen konnte er die Karte 2010 sofort wieder erspielen, doch 2011 verpasste er bei seinen ersten 21 Turnierstarts unglaubliche 20 Mal den Cut. "Damals stellte sich dieses schreckliche Gefühl in der Magengegend ein", erinnert er sich heute. Dieses Gefühl, das wir alle kennen, wenn man plötzlich absolut keine Ahnung mehr hat, was man auf dem Golfplatz tut. Und je mehr man dagegen ankämpft, umso schlimmer wird die Misere.
»DOCH DANN MACHTE SICH SCHNELL DER GEDANKE 'WAS WENN ICH ES NUN NICHT SCHAFFE?' IN MEINEM KOPF BREIT.«
Auf den nächsten großen Wurf warten wir seither immer noch, doch Oli marschierte ohne Zweifel in die richtige Richtung. 2017 nahm er sowohl bei der Dunhill Championship als auch bei den Portugal und den Irish Open dicke Schecks mit nach Hause und das große Highlight dieser Saison war Rang zwei beim Qatar Masters.
Moment mal! Habe ich gerade tatsächlich "das große Highlight" geschrieben? Was für ein Quatsch, denn man sollte doch erwähnen, dass Oli Fisher, einstiges Supertalent und GolfPunk-Model, im Spätsommer European-Tour- Geschichte schrieb. Als er die zweite Runde des Portugal Masters begann, bestand der Plan darin, auf die solide Runde von 71 Schlägen am Vortag aufzubauen und sich eine gute Ausgangsposition fürs Wochenende zu erspielen. Doch alles kam völlig anders. Mehr als 690.000 Runden wurden in der Geschichte der European Tour bisher gespielt und nicht einem Einzigen gelang es dabei jemals, ein Ergebnis von weniger als 60 Schlägen ins Scoringzelt zu bringen. 60er-Runden gab es bereits eine ganze Menge - 18, um genau zu sein. Doch von einer 59 hatte auf der European Tour noch nie jemand gehört.
Der Dom Pedro Victoria Golf Course wusste nicht, wie ihm geschah: Oli begann mit drei Birdies in Folge, spielte ein Eagle auf Loch 5 und ließ ein weiteres Birdie auf Bahn 8 folgen, um die Front Nine mit sagenhaften 28 Schlägen auf der Scorekarte abzuschließen. #59Watch verbreitete sich rasend schnell in den sozialen Netzwerken und spätestens nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem allen Beteiligten klar wurde, dass hier und heute mit historischen Ereignissen geflirtet wird und zwangsläufig Bogeys gespielt werden. Oli Fisher jedoch nahm den Fuß nicht vom Gas, spielte Birdies auf den Löchern 11, 12 und 13 und verpasste dann einige Putts nur knapp, um auf den Bahnen 16 und 17 wieder auf den Birdie-Zug aufzuspringen. Alles, was es nun noch brauchte, war lediglich ein Par auf dem Schlussloch, um tatsächlich Golfgeschichte zu schreiben.
Wann war der Punkt erreicht, an dem du dachtest: "Ich kann das heute wirklich schaffen, eine 59 zu spielen"?
Ich bin mit einem Ergebnis von Even Par in die zweite Runde gestartet und hatte bei drei meiner letzten vier Turniere den Cut verpasst. Es war deshalb eine enorm wichtige Runde für mich und ich wusste, dass ich mindestens drei oder vier unter Par spielen müsste, denn die Cut-Linie liegt in Portugal meist ziemlich niedrig. Mein Spiel war in dieser Woche bis zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich berauschend. Doch dann spiele ich plötzlich drei Birdies auf den ersten drei Löchern. Nach einem Par auf Bahn 4 loche ich den Bunkerschlag auf der nächsten Bahn zum Eagle und liege plötzlich fünf unter nach fünf Löchern. Auf Bahn 6 loche ich dann einen Putt aus etwa zwölf Metern zum nächsten Birdie. Das ist ein wirklich langes Par 3, auf dem ich ein Eisen 4 ins Grün geschlagen hatte.
Du hast also schon so früh in der Runde an eine 59 gedacht?
Keine Chance. Zu dem Zeitpunkt ging es für mich immer noch um den Cut. Auf Loch 7 ist ein Schlag von 260 Metern carry über Wasser nötig, um das Fairway zu erreichen. Auf dem Weg zum siebten Tee dachte ich deshalb: "Wenn mir hier ein guter Drive gelingt, dann sollte es mit dem Cut hinhauen." Ein geschaffter Cut wäre schließlich nötig für das Selbstvertrauen und es war mir wichtig, wieder ein paar Turnierrunden zu spielen und mich im Race to Dubai weiter nach vorne zu spielen, um nicht wie in den Wochen zuvor auf der Stelle zu treten. Loch 7 war daher enorm wichtig für mich und ich habe einen groß artigen Drive geschlagen. Er war zwar ein bisschen gepullt, doch er schaffte es locker über das Wasserhindernis und ich hatte lediglich ein Eisen 9 ins Grün. Mein Birdie-Putt aus etwa vier Metern lippte zwar aus, jedoch lag ich ja immer noch sechs unter Par nach sieben Löchern, also wurde ich ein klein wenig lockerer. Um ehrlich zu sein, war ich den ganzen Morgen über relativ entspannt, denn wir spielen am Vormittag wenn noch keine Kameras auf dem Platz sind. Mein Vater begleitete uns und auch die Frau meine Caddies lief mit. An Loch 8 kam dann auch meine Verlobte Paige dazu und konnte ein weiteres Birdie beobachten. Auf Loch 9 habe ich einen kurzen Birdie-Putt verschoben, liege also plötzlich sieben unter Par nach neun Löchern und habe nicht das Gefühl, bereits irgend etwas Außer gewöhnliches geleistet zu haben. Normalerweise befindet man sich bei einem Rundenergebnis von sieben unter Par auf Loch 16 oder 17. Ich fing jetzt gerade erst mit den Back Nine an.
STECKBRIEF
Name: Oliver FisherAlter: 30 Jahre
Profi seit: 2006
Wohnort: Chigwell, England
Lieblingsteam: Manchester United
Erfolge:
• 2008 2. Open de Andalucia (European Tour)
• 2011 Czech Open (European Tour)
• 2014 2. Africa Open (European Tour)
• 2018 2. Qatar Masters (European Tour)
Mittlerweile dürften sich dann auch einige Zuschauer zu eurer Gruppe gesellt haben...
Noch war alles ruhig. Das Wetter war perfekt, es wehte praktisch kein Wind und wir spielten in optimalen Scoring-Bedingungen. Auf den Löchern 10 und 11 konnte ich dann erneut zwei Birdie-Putts aus jeweils etwa drei Metern versenken. Loch 12 ist ein schwieriges Par 5 mit Wasser auf der gesamten linken Seite. Ich spielte einen schlechten Drive, doch mein Holz 5 in Richtung Grün war perfekt getroffen und nun fiel mir auf, dass Sky-Kommentator Gary Murphy und zwei Kamerateams den Weg zu unserer Gruppe gefunden hatten. Als das Birdie auf Loch 12 auf der Scorekarte stand, wurde mir schlagartig klar, dass ich eine gute Chance auf eine 59 hatte. Doch dann machte sich schnell der Gedanke "Was wenn ich es nun nicht schaffe?" in meinem Kopf breit. Das Set-up des Golfplatzes war an diesem Tag wirklich optimal auf mich zugeschnitten und alles war bereit dafür, dass ich eine 59 spielen konnte.