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Thomas Pieters

Belgium? 4 Points!

Von Tim Southwell, Fotos: David Corbett

Egal ob mitten in einem hitzigen Ryder-Cup-Match oder beim GolfPunk-Shooting, Thomas Pieters ist immer die Ruhe selbst. Der Belgier ist kein Mann großer Worte, er lässt lieber sein Golfspiel für sich sprechen. Denn wenn er zum Driver greift, dann ist es vorbei mit der Ruhe.

Als Tiger Woods während der Trainingsrunden vor dem Ryder Cup 2016 in Hazeltine Thomas Pieters zum ersten Mal einen Schläger schwingen sah, kam ihm nur ein Wort über die Lippen: "Wow!" Mehr muss eigentlich nicht gesagt werden, um Thomas' Potenzial zu beschreiben.

Als der Belgier als Mitglied des Ryder-Cup-Teams in Minneapolis aus dem Flugzeug stieg, war es keine Übertreibung zu behaupten, dass ihn in Amerika so gut wie kein Schwein kannte. An der University of Illinois hatte er sich einen Namen gemacht, in der breiten amerikanischen Golföffentlichkeit - und seien wir ehrlich: In Europa sah es kaum anders aus - hatte niemand Thomas Pieters auf dem Zettel. Als die Matches beendet waren, sah das anders aus. Fünf Matches hatte Thomas bestritten und daraus vier Punkte für Team Europa geholt. Das sind Zahlen, die wir sonst nur von Ian Poulter und Sergio Garcia kannten. Mehr noch: Thomas Pieters war der erste europäische Ryder-Cup-Rookie, der bei seinem Debüt vier satte Punkte erspielen konnte. Seit Hazeltine weiß auf beiden Seiten des Atlantiks jeder Golfer, wer dieser 25-Jährige aus Antwerpen ist.

Thomas' Weg an die Weltspitze war keineswegs vorgezeichnet. Zwar nahm er im Alter von fünf Jahren zum ersten Mal ein Eisen in die Hand, eine Golfhistorie sucht man im Stammbaum von Familie Pieters allerdings vergeblich. Wie uns alle erwischte der Golfvirus auch Thomas, bei ihm dauerte es jedoch nicht lange, bis er sein unglaubliches Talent offenbarte. Mit 18 gewann er die belgische Juniorenmeisterschaft und bekam daraufhin ein Stipendium der University of Illinois, wo er 2011 das Jack Nicklaus Invitational und ein Jahr später die Einzelwertung der NCAA Championship, also die amerikanische Collegemeisterschaft, gewann. Im Alter von 21 war dann genügend Selbstvertrauen ins eigene Spiel vorhanden, um das letzte Jahr am College sausen zu lassen und ins Profilager zu wechseln. Das war 2013 und seine ersten Starts auf der Challenge Tour waren keine Demonstration der Dominanz, wie sie viele von Thomas erwartet hatten, am Ende der Saison war jedoch mit dem 20. Rang in der Order of Merit die Tourkarte für die European Tour gesichert.

Dort ging es Schlag auf Schlag. Thomas hatte noch nicht einmal Zeit, sein Yardage Book anständig zu studieren, da fand er sich bereits in einem Play-off mit Miguel Ángel Jiménez um den Sieg bei der Open de España in Valderrama wieder. Zwar verlor der Belgier das Playoff, doch unter seinen Kollegen hatte er ein Ausrufezeichen gesetzt. Wer viermal hintereinander in heftigem Wind vier unter Par in Valderrama spielt, der muss über einen soliden Golfschwung verfügen, und am Ende der Saison fand er sich auf Rang 243 der Weltrangliste, sagenhafte 879 Plätze besser als zu Beginn des Jahres, wieder.

Im August 2015 war es dann endlich so weit und Thomas konnte beim D+D Real Czech Masters seinen ersten Sieg auf der European Tour feiern. Damit aber nicht genug, denn eine Woche später bei den KLM Open in den Niederlanden schlug der Belgier gleich noch einmal zu und enterte damit die Top 100 der Weltrangliste.

Nach einem Start nach Maß ins Jahr 2016 mit einem zweiten Platz bei der HSBC Golf Championship in Abu Dhabi, wo sich Thomas lediglich Rickie Fowler geschlagen geben musste, kamen die Olympischen Spiele. Olympia 2016 - da war doch was: ein Golfturnier, verschmäht von einigen der Größten des Sports aufgrund eines tragischen Mangels an Vorstellungskraft und Idealismus. Thomas und sein Landsmann Nicolas Colsaerts mangelte es jedoch glücklicherweise weder am einen noch am anderen, denn sie erkannten die Gelegenheit, nicht nur in Belgien, sondern auch weltweit den Golfsport einem völlig neuen Publikum zu präsentieren.

Thomas Pieters: Thomas Pieters:

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ICH HABE AUCH EIN WENIG BASKETBALL GESPIELT, HATTE ABER NIE DEN TRAUM, EINES TAGES IN DER NBA ZU SPIELEN. PROFIGOLF WAR IMMER MEIN ZIEL.
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Für Thomas endete Rio 2016 mit dem undankbaren vierten Platz: Blech! Doch er hatte dazu beigetragen, dass das erste olympische Golfturnier seit 1904 ein enormer Erfolg wurde.

Zwei Wochen nach Olympia gab Thomas dann mit seinem Sieg beim Made-in-Denmark-Turnier Captain Darren Clarke das endgültige Argument, den Belgier für zwei phänomenale Jahre mit einer Wildcard für den Ryder Cup zu belohnen, und der Rest ist Golfgeschichte.

Als wir Thomas in Antwerpen für ein Fotoshooting und unser Interview treffen, hat er mit dem zweiten Rang bei den Genesis Open schon bewiesen, dass auch die PGA Tour keinesfalls eine Nummer zu groß für ihn ist. Er sieht ein wenig müde aus, wirkt jedoch absolut entspannt. Warum auch nicht? Schließlich hat er gerade seinen ersten Start beim Masters mit einem vierten Platz beendet und kommentiert meine Danksagung, dass sein Top-Five-Ergebnis mir dank einer fachkundigen Wette einen netten Geldbetrag ins Portemonnaie gespült hat, ganz gelassen: "Freut mich, dass ich helfen konnte, Mann!" Es wird Zeit für das Interview!

Thomas Pieters:
Thomas Pieters: Ich bin etwas müde, ich bin letzte Nacht mit meinem Bruder auf die Piste gegangen. Ich muss heute unbedingt etwas Schlaf nachholen.

GolfPunk: Wie bist du zum Golfspielen gekommen? Wer hat dich mit dem Sport bekannt gemacht?
TP: Wir haben als Familie alle gemeinsam zur gleichen Zeit begonnen, Golf zu spielen. Es steckt also keine große Geschichte dahinter wie etwa, dass mein Vater ein Pro gewesen wäre, oder etwas Ähnliches. Ich habe Tiger Woods zum ersten Mal live spielen sehen, da war ich 15 oder 16. Ich wollte mein eigenes Ding machen, habe ihn als Golfer aber natürlich auch vorher schon bewundert.

GP: Hast du als Jugendlicher noch andere Sportarten getrieben?
TP: Ich habe Basketball und Fußball gespielt. In Belgien spielen nicht allzu viele Leute Golf, es ist also etwas völlig anderes als die Breitensportarten. Mir hat Golf einfach gefallen. Es ist herausfordernd und man ist auf sich allein gestellt. Es gibt niemanden, den man für seine Fehler verantwortlich machen könnte.

GP: Man kann den Caddie verantwortlich machen!
TP: Das wäre allerdings ziemlich erbärmlich. Aber man kann es natürlich versuchen.

GP: Du hast als Jugendlicher also Golf gespielt, weil du es cool fandst?
TP: Klar! Ich dachte, Golf ist richtig cool. Meine Freunde und die Typen in der Schule waren offensichtlich anderer Meinung. [grinst]

GP: Also gab es Leute in deinem Umfeld, die fragten: "Warum zum Teufel spielst du Golf?"
TP: Ja klar. Ich kann nicht behaupten, dass ich gehänselt wurde, bis ich heulen musste, aber ich musste mir ab und zu schon einiges gefallen lassen, weil ich Golf spielte.

GP: Viele denken eben, es sei ein Sport für alte Leute.
TP: Genau!

GP: Denkst du, dass sich das zurzeit ändert?
TP: Ja, das kann man spüren. Ihr macht in dieser Hinsicht einen guten Job. Der fl ämische Golfverband und die Medien in Belgien sind in dieser Hinsicht auch sehr aktiv. Es tut sich also was.

GP: Was hältst du von neuen Formaten wie GolfSixes?
TP: Ich mochte das Turnier und ich glaube, es war gute Unterhaltung für die TV-Zuschauer. Sicherlich braucht es noch die eine oder andere Änderung, aber ich denke, es ist eine großartige Idee.

GP: Beim Ryder Cup letztes Jahr hattest du, auch wenn deine Mannschaft verloren hat, unglaublichen Erfolg. Selbst Leute, die sich sonst nicht für Golf interessieren, schauten zu und dein Name war in aller Munde. Warum schafft der Ryder Cup das alle zwei Jahre?
TP: Ich denke, das liegt an der Elektrizität, die in der Luft liegt; man kann das auch sehen und spüren, wenn man nur vor dem Fernseher sitzt. Ich habe auch viele Ryder Cups angeschaut und fünf oder sechs Stunden gespannt vor dem Fernseher gesessen. Da es während der ersten beiden Tage immer nur vier Matches gleichzeitig auf dem Platz gibt, fällt es Zuschauern leicht, von Beginn an allen Partien zu folgen. Ich denke, das hilft.

GP: Wie alt warst du, als das Wunder von Medinah über die Bildschirme flimmerte?
TP: Das ist jetzt fünf Jahre her, ich war damals 20.

GP: Hast du den Finaltag am Fernseher verfolgt?
TP: Ich konnte es nicht sehen, da wir an diesem Wochenende die World Amateur Team Championships in Argentinien gespielt haben. Das war leider schlechtes Timing.

GP: Du hast den großen Moment des "Belgischen Bombers" Nicolas Colsaerts verpasst?
TP: Ein paar Ausschnitte habe ich gesehen, aber leider nicht die ganze Runde.

GP: War das ein Erweckungsmoment für den Golfsport in Bel gien, als man sehen konnte, wie gut sich Nicolas Colsaerts im Ryder Cup schlägt?
TP: Ja, zum ersten Mal spielte ein Belgier im Ryder Cup und Nico hat das wirklich toll gemacht. Er sorgte für Schlagzeilen in Belgien und ich bin mir sicher, dass damals viele im Land zum ersten Mal von Nico und dem Ryder Cup gehört haben.

GP: Es gibt Nico und dich in Belgien und dann ist da noch Thomas Detry. Wer fliegt im Moment noch unter dem Radar?
TP: Wir haben im flämischen Golfverband ein wirklich gutes Juniorenprogramm, dem ich ab einem Alter von neun Jahren ebenfalls angehört habe. Sie haben mich sehr unterstützt, bis ich Profi wurde. Sogar danach noch haben sie mir finanziell unter die Arme gegriffen. Deshalb freut es mich sehr, dass ich heute etwas zurückgeben und den Kids im Programm ein paar Mal im Jahr Unterricht geben kann. Es fällt nicht schwer zu sehen, wie viel Talent in einigen der Spieler dort schlummert.

 

Steckbrief

Name: Thomas Pieters
Alter: 25 Jahre
Wohnort: Antwerpen, Belgien
Profi seit: 2013
Lieblingsteam: Chicago Bulls
Erfolge:
• 2011 Jack Nicklaus Invitational (Amateur)
• 2015 D+D Real Czech Masters (European Tour)
• 2015 KLM Open (European Tour)
• 2016 Made in Denmark

GP: Die belgische Fußballnationalmannschaft hat den Ruf, schon des Öfteren Gegner aus "höheren Gewichtsklassen" geärgert und sogar geschlagen zu haben, da Belgien als solch eine kleine Nation in der Lage war, viele extrem gute Fußballer auszubilden. Kann es eine ähnliche Entwicklung auch im Golf geben?
TP: Ich hoffe es! Je mehr Kids Golfschläger in die Hand nehmen, desto größer ist letztlich die Wahrscheinlichkeit, dass wir die echten Talente entdecken. Vielleicht ist der nächste Star im Moment noch ein Basketballspieler, aber wenn man hart an sich arbeitet, dann ist es bewiesen, dass auch ein unorthodoxer Schwung bis an die Weltspitze führen kann.

Das gesamte Interview lest ihr in der aktuellen GolfPunk!

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