WIKINGERGRÄBER
Als die dritte Runde des Tages beginnt, scheinen wir uns alle akklimatisiert zu haben, was die einzigartigen Bedingungen auf den Lofoten angeht, denn plötzlich treffen wir allesamt das Fairway. Die Tatsache, dass wir nun einmal nicht durch Rough waten müssen, um unsere Bälle zu suchen, lässt die Zeit, endlich im Birdiebook nachzuschlagen, warum rechts des ersten Fairways ein Rechteck Gras ohne einen erkennbaren Grund als "GUR" markiert ist. "Tore Hjort" heißt diese Spielbahn und es ist der Name eines Wikingerhäuptlings, der einst hier lebte, bis ihn der König Norwegens umbringen ließ. Sein Grab liegt immer noch hier und wird nun mit blauen Pflöcken vor Golfern geschützt, es ist schließlich egal, wie viele Jahrhunderte man schon tot ist; Divots auf dem eigenen Grab mag niemand gerne leiden.
»112 LÖCHER HABEN WIR IN DEN LETZTEN 24 STUNDEN GESPIELT, NOCH NIE WAR ICH SO FROH, MEINE SCHUHE AUSZIEHEN ZU KÖNNEN.«
Mittlerweile ist es kurz vor 21 Uhr und in der Heimat wäre ein äußerst befriedigender Golftag nun zu Ende. Doch für uns ist gerade einmal Halbzeit. "Es tut mir leid für euch, dass das Wetter heute nicht wirklich gut ist", gibt Frode uns noch mit auf den erneuten Weg zum ersten Tee. Tatsächlich hängen schon den ganzen Tag dicke Wolken über den Lofoten. "Dies ist wirklich die beste Location, um Nordlichter zu beobachten. Lichtverschmutzung gibt es hier nicht. Aber dazu ist es eh die falsche Jahreszeit. Wenn ihr Glück habt, reißen die Wolken heute Nacht noch auf, dann könnt ihr den ewigen Sonnenuntergang sehen. Das ist spektakulär."
NACHTSCHICHT
Runde vier war bei meinem ersten Versuch, die 100 Löcher im Hamburger Golf-Club zu spielen, der Zeitpunkt, an dem erste körperliche Verschleißerscheinungen wie schmerzende Fußsohlen und die eingeschränkte Fähigkeit zur Körperdrehung während des Schwungs auftraten. Runde fünf wurde dann zur echten Hölle, in der man jeden erneuten Gang zur Teebox verflucht. Und auch hier auf den Lofoten ist das nicht anders. Trotzdem hat dieser Golfmarathon auf den Lofoten einen vollkommen anderen Charakter als sein Pendant an der Elbe. Während der "HuLoPo" ein ständiger Wettkampf mit dem immer näher rückenden Sonnenuntergang und der damit verbundenen Dunkelheit ist, spielen wir uns hier und heute in ein für uns unbekanntes Paralleluniversum des ewigen Lichts.
Als wir uns zum fünften Mal am Inselgrün der zwei die Zähne ausbeißen, schaue ich auf die Uhr. 2:30 Uhr ist dort zu lesen und der Verstand weiß, dass es 2:30 Uhr in der Nacht ist, doch die Augen melden etwas anderes. Könnte es nicht doch 14:30 Uhr sein? Schließlich ist es noch taghell.
Wenig später passiert dann tatsächlich das, worauf uns Frode bereits vorbereitet hat: Für eine halbe Stunde reißt der graue Himmel am Horizont auf und die nur knapp über dem Meer hängende Sonne taucht nicht nur den Golfplatz, sondern auch die dahinter liegenden Berge in ein Licht, wie ich es noch nie gesehen habe. Mehr als zwei Stunden wandert die Sonne zu dieser Jahreszeit jede Nacht den Horizont entlang. Stelle dir einfach den kitschigsten Sonnenuntergang vor, den du je erlebt hast - hoch 10 und 20-mal so lange. Die Anzahl der gespielten Löcher ist mittlerweile dreistellig und der körperliche Verfall kaum noch zu ertragen. Es ist jedoch auch der Geist, dem 24 Stunden Dauergolf und fehlende Dunkelheit übel mitspielen.
Wie schon gestern Morgen erscheint mir wieder Martin Sheen aus Francis Ford Coppolas Vietnam-Epos und flüstert mir ins Ohr: "Jeder bekommt, was er verdient. Ich wollte einen Auftrag und meiner Vergehen wegen erteilten sie mir einen, servierten ihn mir. Wie etwas, das ich bestellt hatte. Es war ein wirklich erlesener Auftrag. Und als er zu Ende war, wollte ich nie wieder einen." This is the end.
Den gesamten Text lest ihr in der aktuellen GolfPunk-Ausgabe.
Golfplätze in der Region
LOFOTENGOLF LINKS
18 Löcher, Par 71, 6.092 MeterAdresse
Tore Hjortsvei
3898314 Gimsøysand, Norwegen
Tel. +47 76.07.20.02
www.lofotenlinks.no
Greenfee
ca. 91 Euro (18 Löcher)
ca. 150 Euro (24 Stunden)
Killerloch
Kein Wunder, dass ein Platz in einer solch spektakulären Landschaft gleich über eine Handvoll Signature Holes verfügt. Die meisten Fotos werden unter Garantie von Loch 2 gemacht, aber auch die wie eine Piratenplanke aufs Meer hinaus verlaufende 16. Spielbahn ist extrem spektakulär. Unser Favorit ist Loch 14, ein Par 4 inmitten einer Felswüste, das keinerlei Gnade für denjenigen kennt, der das Fairway verfehlt.
www.lofotenlinks.no