Featured StoriesFeatured Stories

Palm Springs

Operation Wüstengolf

Von Jan Langenbein, Fotos: Getty Images, Lan Langenbein

Wenn es einen Ort gibt, an dem US-Präsidenten auf Zuschauer schießen, Frank Sinatra tagsüber Golf spielte und abends Songs aufnahm und Leonardo DiCaprio Models ausführt, dann muss dieser Ort dem Paradies doch ziemlich nahe kommen, oder?

Steile These: Palm Springs und die angrenzenden Wüstenstädte des Coachella Valley zwei Stunden östlich von Los Angeles sind so etwas wie das Sylt der Vereinigten Staaten. Jeder, der sich nun Erinnerungen an die Nordseeinsel und Bilder von der Palmen in der Wüste vor imposanten Bergmassiven vor das geistige Auge ruft und vergleicht, wird mich für verrückt erklären, doch diese Merkmale sind nur optisch. Die Parallelen dieser beiden Urlaubsziele finden sich auf der philosophischen Ebene, denn genau so wie Sylt der vielleicht deutscheste Ort Deutschlands ist, kann man Palm Springs als einen der amerikanischsten Orte der Vereinigten Staaten bezeichnen. Wohin fahren Touristen, egal woher sie auch kommen, wenn sie zum ersten Mal Deutschland besuchen? Heidelberg. Zum "Hofbräuhaus". Neuschwanstein. Vielleicht Berlin. Nach Sylt auf keinen Fall. Dorthin fahren nur Deutsche. Das Gleiche gilt für Palm Springs. Reisende schauen sich während ihres ersten Kalifornienabenteuers San Francisco, Hollywood, Big Sur und vielleicht den Yosemite Nationalpark an, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht Palm Springs.

Palm Springs: Wetterbericht: wenig abwechslungsreich (l.) Früher war alles besser, selbst die Caddies zeigten deutlich mehr Stil (r.)Palm Springs: Wetterbericht: wenig abwechslungsreich (l.) Früher war alles besser, selbst die Caddies zeigten deutlich mehr Stil (r.)
Wetterbericht: wenig abwechslungsreich (l.) Früher war alles besser, selbst die Caddies zeigten deutlich mehr Stil (r.)

»
IN LA QUINTA IST DER ABSTECHER IN DEN PRO-SHOP VOR DER RUNDE OBLIGATORISCH, DENN DIESE PETE-DYEWIESEN FRESSEN BÄLLE WIE SONST NUR DIE LOKALEN SHERIFFS DONUTS.
«

Diese Enklave in der Wüste wird beinahe ausschließlich von Nordamerikanern frequentiert, die hier dem miesen Wetter ihrer Heimatstädte im Winter entkommen und, obwohl es nur einen kurzen Inlandflug braucht, dabei der Wirklichkeit des Alltags adieu sagen. Kein Wunder, dass solche Bedingungen von Beginn des Tourismus an den Jetset und den Geldadel nach Palm Springs zogen und ein Ferienhaus in dieser Lage in den USA seit Jahrzehnten gleichbedeutend ist mit der Aussage "Ich habe es geschafft und es im Leben zu etwas gebracht". Und da die Leute mit den dicken Geldbeuteln dazu neigen, sich an den nettesten Fleckchen dieser Erde zu versammeln, kann man jedem Europäer, der sich für ein paar schöne Tage und ein paar Runden Golf nach Kalifornien aufmacht, nur empfehlen, auch Palm Springs auf seine Route zu setzen - ebenso wie man einem Amerikaner, der Good Old Germany besucht, ein Wochenende auf Sylt ans Herz legen sollte. "You'll like it!"

DREI PRÄSIDENTEN IM FLIGHT


Wie auch bei der Fahrt nach Sylt ist allein schon die Anreise mit dem Auto nach Palm Springs ein Erlebnis und macht nicht nur Erstbesuchern, sondern auch öfter Wiederkehrenden klar, dass nun eine Welt betreten wird, die nach ihrer eigenen Zeitrechnung funktioniert. Orts- unkundige können jedoch bereits hier in die erste Falle tappen, denn natürlich kann man vom internationalen Flughafen von Los Angeles aus den direkten Weg auf der Interstate in Richtung Wüste und die dort hinter den Bergen versteckten Städte nehmen. Doch das wäre in etwa so, als würde man bei einem einwöchigen Sightseeing- Trip durch Paris ausschließlich mit der Metro unter Tage und somit blind an einigen der spektakulärsten Sehenswürdigkeiten vorbeifahren. Nein, der korrekte Weg von Los Angeles nach Palm Springs führt zunächst an der Pazifikküste entlang in Richtung Süden, bis sich kurz vor San Clemente eine kleine, dubiose Strasse namens Highway 74 in Richtung der Berge emporschlängelt. Zugegeben dauert die Fahrt auf dieser Route knapp dreimal so lang, es ist jedoch verbürgt, dass sie 30-mal so viel Spaß macht. Nicht nur durchfährt man mit den Surfer-Städten am Pazifik, der Wildwestromatik in Mountain Center und schließlich der Wüstenabfahrt kurz vor Palm Springs gefühlt drei verschiedene Planeten, selbst ohne die sagenhafte Aussicht wären die Haarnadelkurven dieses Bergpasses ein wahres Fest für jeden Hobby-Vettel. Das Entrée nach Palm Desert - neben Palm Springs, Cathedral City, Rancho Mirage und La Quinta eine der Wüstenstädte, die, weil zusammenhängend, gerne als Greater Palm Springs bezeichnet werden - zeigt auch jedem Golfer sofort, dass er nun Fuß auf das gelobte Land setzt, denn der erste Blickfang nach Stunden in der menschenleeren Einöde des Hochgebirges sind die opulenten Fairways des Bighorn Golf Club am Rande der Wüste.

Palm Springs:
Hier fanden Anfang des neuen Jahrtausends auf der Spitze des neuen, von Tiger Woods ausgelösten Golf-Hypes drei landesweit am Montagabend live im Fernsehen übertragene Show-Matches statt, bei deren erster Auflage Sergio Garcia den damals übermächtigen Tiger in einem Duell Mann gegen Mann mit 1 up in die Knie zwang. Es war kein Wunder, dass sich die Verantwortlichen von ABC damals dazu entschlossen, diese Show-Matches mit einem Preisgeld von 1,1 Millionen Dollar für den Sieger und 400.000 Dollar für den "Verlierer" im Großraum Palm Springs stattfinden zu lassen, fand hier doch fünf Jahre zuvor die wohl spektakulärste Runde in der Geschichte der PGA Tour statt. Im Februar 1995 legten die ehemaligen Präsidenten Gerald Ford, George Bush sen. und der damals amtierende Präsident Bill Clinton für einen Tag alle politischen Differenzen beiseite und gingen zusammen mit Bob Hope und Titelverteidiger Scott Hoch als wohl prominentester Fünfer-Flight aller Zeiten gemeinsam auf die erste Runde der Bob Hope Chrysler Classic. Es war das erste und bislang auch einzige Mal, dass ein sich im Amt befindender Präsident eine Runde Golf auf der PGA Tour spielte und die mehr als 20.000 Zuschauer auf der Anlage brachten sogar den mächtigsten Mann der Welt kurzzeitig aus dem Konzept. "Wir sind alle drei tierisch nervös", gab Clinton vor der Runde in einem NBC-Interview zu, brachte dann aber immerhin ei ne respektable 93 ins Clubhaus. Bush unterbot die Runde seines Nachfolgers mit einer 92 sogar um einen Schlag, während es Ford mit einer 100 denkbar knapp verpasste, zweistellig zu bleiben - und das, obwohl es sowohl Bush als auch Ford gelang, im Laufe des Tages Zuschauer aufs Korn zu nehmen. Kollateralschäden blieben jedoch aus.

Für Touristen und Normalsterbliche, die keine familiären Verbindungen zu Clubmitgliedern haben, bleiben die legendären Austragungsorte großer Matches wie Bighorn, Indian Wells oder auch der Thunderbird Country Club, wo 1955 Ryder Cup Matches ausgetragen wurden, verschlossen, denn spätestens der Mann mit dem Klemmbrett an der Pforte macht unmissverständlich klar: "Members only!" Doch das ist in Greater Palm Springs kein Drama, denn im Radius von gerade einmal 30 Autominuten liegen hier etwa 110 Golfplätze unter der heißen Wüstensonne, und da nur etwas mehr als die Hälfte von ihnen strikt privat sind, stehen zahlenden Gästen immer noch mehr als 50 dieser meist perfekt manikürten Spielwiesen zur Verfügung.

Palm Springs:

PETE DYE UND DIE MODS


Obwohl die Auswahl an erstklassigen Golfplätzen in der Wüste also riesig ist, liegt das Golfepizentrum für Touristen in Greater Palm Springs ganz im Süden im Megagolfkomplex PGA West. Zwischen den imposanten Santa Rosa Mountains und der offenen Wüste nennt man sich selbstbewusst The Western Home of Golf in America und übertreibt damit kein bisschen. Sechs Plätze, drei davon für die Öffentlichkeit zugänglich, bieten, um es mit einer Skifahrermetapher auszudrücken, alles von der schwarzen Piste (Pete Dyes TPC Stadium Course) bis zum halbwegs entspannten Schneepflughang (Greg Norman Course). Entworfen wurden die Plätze in diesem Golfclub der Superlative selbstverständlich ausschließlich von der Crème de la Crème des Golfsports wie Jack Nicklaus, Pete Dye, Arnold Palmer, Tom Weiskopf und Greg Norman. Zählt man dann noch die beiden ebenfalls von Pete Dye designten Plätze des nur einen Steinwurf entfernten La Quinta Resort hinzu, wird diese Anlage sogar noch gigantomanischer und reicht für sich schon absolut aus, um für mehr als eine Woche in die Parallelwelt des Championship Golf auf Plätzen von Tourkaliber abzudriften. Vor jedem erneuten Kräftemessen mit einer der Pete-Dye-Schöpfungen in La Quinta wird ein Abstecher in den Pro-Shop unvermeidlich sein, denn diese Wiesen fressen Bälle wie sonst nur der hiesige Sheriff Donuts mit Puderzucker.

 
WOHNEN

WOHNEN

LA QUINTA RESORT & CLUB
Von der Vision des Geschäftsmanns Walter H. Morgan eines luxuriösen Retreats in der Wüste im Stile einer Hacienda in den 20er-Jahren bis zum Hot Spot, der selbst die größten Hollywood- Stars anzog, war es kein weiter Weg. Greta Garbo und Clark Gable zählten zu den Stammgästen und auch heute ist es nichts Ungewöhnliches, trifft man Roger Federer in einem der unzähligen Pools oder Tennis-Courts. Im riesigen Spa relaxen nicht nur Golfer, sondern auch jede Menge Filmschaffen de. Und das Beste an dieser Oase des guten Geschmacks inmitten der Wüste sind nicht die drei exzellenten Restaurants, sondern die Tatsache, dass man von jedem Zimmer ganz gemütlich zu den Abschlägen der beiden Pete-Dye-Plätze schlendern kann. www.laquintaresort.com

THE SAGUARO
Bunter als der Kölner Karnevalsumzug zieht das "Saguaro" im Herzen von Palm Springs vor allem junges und hippes Partyvolk an, das tagsüber am riesigen Pool im Innenhof eifrig an der immer noch zu steigernden Bräune arbeitet, ehe es am Abend top gestylt an die Tresen der Stadt geht. Vor allem während großer Events im Valley wie dem Coachella Festival oder Splash House steppt in diesem obercoolen Hotel der Bär, und wer eines der schicken Zimmer ergattern kann, der kann sich glücklich schätzen. Lange im Voraus zu buchen ist zu diesen Zeiten in jedem Fall empfehlenswert. Wer einmal über die Schwelle des "Saguaro" getreten ist, mag es kaum für möglich halten, dass das Durchschnitts alter in Palm Springs weit jenseits der 50 liegt. www.thesaguaro.com

Featured Stories