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Masters Preview

Augustas Heilige Dreifaltigkeit

Von Rüdiger Meyer, Fotos: Rolex, Getty Images

Dass der Augusta National Golf Club als Kathedrale des Golfsports gilt, verdankt er vor allen Dingen der Amen Corner, die beim Masters die Spreu vom Weizen trennt.

Amen Corner - für Golfer sind diese Worte so magisch wie "Hole in One". Dabei hatten die Bahnen 11, 12 und 13 des Augusta National Golf Club nicht von Anfang an diesen mythischen Status. In den ersten Jahren des Masters waren diese Spielbahnen ganz simpel als "die Wasserschleife" bekannt. Erst am 21. April 1958 erhielt das Trio seinen Namen, als Sportjournalist Herbert Warren Wind in der Nachbetrachtung des 22. Masters schrieb: "unten in der Amen Corner, wo Rae's Creek das 13. Fairway durchschneidet, parallel zum Grün der kurzen 12 läuft und schließlich neben dem 11. Grün strudelt". Endgültig etabliert hat sich der Begriff, der Kirchengänger in den Südstaaten assoziiert, die bei Predigten zustimmend Amen rufen, erst in den 70ern, vielleicht auch weil die meisten Fans die Löcher bis dahin kaum kannten.

Die von Augusta National streng limitierten TV-Zeiten führten dazu, dass Fernsehzuschauer erst 1968 erstmals Loch 13 zu sehen bekamen, die komplette Amen Corner war sogar erst ab 1977 Teil der Übertragung. Doch seither hat sie sich als einer der entscheidenden Faktoren für den Masters-Sieg erwiesen. Das zeigt auch ein Blick in die Statistik. Loch 11 ist im historischen Durchschnitt das schwierigste Loch und auch an der 12 sind schon einige Profis verzweifelt. Einer von ihnen ist ein gewisser Tiger Woods, der 2020 erst einen Abschlag, dann einen Pitch und schließlich einen Bunkerschlag in Rae's Creek versenkte und mit einer 10 den höchsten Score seiner Karriere notierte. Die 13 dagegen ist das leichteste Loch und setzt den Spielern bereits am Abschlag den Floh ins Ohr, dass ein Birdie ein Pflicht ist.

Par 12
1.220 yds
1.116 m
STATISTIK
HISTORISCHER SCHLAGDURCHSCHNITT12,34
Ř SCHLÄGE SIEGER11,49
BIRDIE41
GEWONNENE SCHLÄGE PRO AMEN-CORNER-LOCH0,28
GEWONNENE SCHLÄGE AUF ANDEREN 15 LÖCHERN0,22
BESTER SIEGER (TIGER WOODS 1997)-7
SCHLECHTESTER SIEGER (GARY PLAYER 1961)+5
SIEGER UNTER PAR/PAR/ÜBER65-6-16


Masters Preview: Wegweisend: ab in die Ecke!
Wegweisend: ab in die Ecke!

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IN DEN ERSTEN JAHREN DES MASTERS WAREN DIESE SPIELBAHNEN GANZ SIMPEL ALS ,DIE WASSERSCHLEIFE' BEKANNT.
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Vergleicht man, wie die 87 Sieger die Amen Corner gespielt haben, fällt auf, dass sie hier tatsächlich einen größeren Vorsprung herausgespielt haben. Pro Turnier holen die Sieger in der Amen Corner je 1,13 Schläge raus, auf den anderen 15 Löchern sind es unter 0,9. Die größte Überraschung dürfte dabei sein, dass ausgerechnet die leichte 13 der größte Separator ist. Tatsächlich gibt es überhaupt nur drei Masters-Sieger, die die 13 schlechter als Par beendeten: José María Olazábal 1994, Craig Stadler 1982 und Gary Player 1961.

Gary Player hält mit 53 Schlägen in der Amen Corner auch den Negativrekord aller Champions - zwölf Schläge schlechter als die Klassenprimi Tiger Woods (1997) und Phil Mickelson (2010). Das Duo, das acht Masters-Siege auf sich vereint, hat bei allen Siegen ein Ergebnis schlechter als Bogey vermieden. Überhaupt notierten Masters- Champions auf ihren 1.044 Amen-Corner-Löchern gerade mal zehn Doppel-Bogeys. Die Idealformel für das Grüne Jackett ist also simpel: vier Pars auf der 11, vier Pars auf der 12 und zumindest zwei Birdies auf der 13. Übrigens exakt das Ergebnis, das die einzigen beiden Scorekarten-Zwillinge notierten. Adam Scott (2013) und Art Wall jr. (1959) spielten zehn ihrer zwölf Löcher in Par und notierten in den beiden Schlussrunden auf der 13 jeweils ein Birdie.

Masters Preview: Masters Preview:

LOCH 11

WHITE DOGWOOD
Par 4
520 yds
475 m
STATISTIK
HISTORISCHER (HCP. 2) SCHLAGDURCHSCHNITT4,3
BILANZ DER SIEGER
EAGLEE0
BIRDIE41
PAR251
BOGEY46
DOUBLE BOGEY2
BESTER SIEGER (ZULETZT TREVOR IMMELMAN 2008)-2 (INSG. 7X)
SCHLECHTESTER SIEGER (NICK FALDO 1989)+4
SIEGER UNTER PAR/PAR/ÜBER25-36-26

Der berühmteste Schlag in der Amen Corner, der gleichzeitig auch ein Grünes Jackett wert war, fand nicht während der Schlussrunde statt, sondern im Play-off. 1987 mussten Seve Ballesteros, Greg Norman und Larry Mize in die Verlängerung gehen. Nachdem sich Ballesteros auf der 10 aus dem Play-off verabschiedet hatte, sah Norman auf der 11 schon wie der sichere Sieger aus - bis Mize aus mehr als 30 Metern zum Birdie einchippte. "Ich hätte nicht erwartet, dass Larry mit zwei Schlägen einlochen kann, und ich hatte recht. Er brauchte nur einen", diktierte ein sichtlich desillusionierter Norman den Journalisten anschließend ins Notizbuch. Das erste Mal entscheidend war die 11 aber schon 1954, als Ben Hogan seinen aggressiven Schlag ins Grün ins Wasser verzog und durch das Doppel-Bogey ins Play-off mit Sam Snead musste. Ein Stechen wurde damals noch über eine gesamte Runde am folgenden Montag ausgetragen, die Snead mit einem Ergebnis von 50 Schlägen für sich entschied. Der Lohn für diese Überstunden: ein Grünes Jackett und 5.000 Dollar Preisgeld.

LOCH 12

GOLDEN BELL
Par 3
155 yds
142 m
STATISTIK
HISTORISCHER (HCP. 3) SCHLAGDURCHSCHNITT3,27
BILANZ DER SIEGER
HOLE-IN-ONE0
BIRDIE56
PAR225
BOGEY51
DOUBLE BOGEY8
BESTER SIEGER (DUSTIN JOHNSON 2020)-2 (INSG. 5X)
SCHLECHTESTER SIEGER (FUZZY ZOELLER 1979)+3
SIEGER UNTER PAR/PAR/ÜBER23-35-29

In aufeinanderfolgenden Jahren erlebte Arnold Palmer die beiden Extreme, wie die Amen Corner das Masters beeinflussen kann. 1958 bohrte sich sein Abschlag in die Böschung hinter Rae's Creek ein. Als der Schiedsrichter Palmer keinen Free Drop geben wollte, spielte der einen Regelball, bekam nachträglich recht, sparte zwei Schläge und luchste Ken Venturi das Grüne Jackett ab. Ein Jahr später holte Palmer jedoch das Schicksal ein. In Führung liegend spielte er ein Triple-Bogey und verpasste die Titelverteidigung. Ein ähnliches Schicksal erlitt Jordan Spieth 2016, als er mit zwei Schlägen ins Wasser den erneuten Masters-Triumph verpasste. Dass Fred Couples 1992 ein ähnliches Schicksal erspart blieb, verdankt er dem Greenkeeper. Weil der auf der Schräge ein paar Grashalme stehen gelassen hatte, blieb Couples' Ball trocken - und der damalige Weltranglistenerste auf Titelkurs.

Masters Preview:

LOCH 13

AZALEA
Par 5
545 yds
498 m
STATISTIK
HISTORISCHER (HCP. 18) SCHLAGDURCHSCHNITT4,77
BILANZ DER SIEGER
EAGLE19
BIRDIE182
PAR114
BOGEY24
DOUBLE BOGEY1
BESTER SIEGER (PHIL MICKELSON 2010)-6 (INSG. 2X)
SCHLECHTESTER SIEGER (GARY PLAYER 1961)+2
SIEGER UNTER PAR/PAR/ÜBER77-7-3

Noch nie konnte ein Amateur das Masters gewinnen. Ein Umstand, den wir der Amen Corner verdanken - und Ben Hogan. Vier Jahre bevor dieser dem Amateur Ken Venturi durch seinen Regelball das Grüne Jackett wegschnappte, hatte er das Gleiche schon mit Billy Joe Patton getan. 1954 ging Patton am Sonntag mit zwei Schlägen Vorsprung auf den Abschlag der 12. Selbst nach einem Bogey hatte er Ben Hogan noch im Griff, doch dann wurde dem Longhitter auf der 13 seine Aggressivität zum Verhängnis. Mit Grauen musste Patton mit ansehen, wie sein Schlag ins Grün nach rechts wegdriftete, auf dem Vorgrün landete und danach den Rückwärtsgang Richtung Rae's Creek einlegte. Das Doppel-Bogey auf dem einfachsten Loch des Platzes kostete Patton ebenso den Titel wie 44 Jahre später Fred Couples. Dessen Drama begann allerdings schon am Abschlag, den "Boom Boom" Couples links in die Rabatten verzog. Nach einem Pitchout war er immer noch in bester Position, seine Führung zu verteidigen, und schien das Schlimmste überstanden zu haben. Doch dann traf Couples seinen dritten Schlag fett und sah mit Entsetzen im Gesicht, wie der Ball im Bach landete und Mark O'Meara am Ende das Grüne Jackett bekam. Dass sich Risiko an der 13 dennoch auszahlen kann, bewies Phil Mickelson 2010, als er aus eigentlich aussichtsloser Lage hinter einem Baum den Ball mit einem Eisen 6 aus den Kiefernnadeln zwei Meter an die Fahne schlug und der Konkurrenz den Zahn zog. Am Ende des Masters hatte "Phil the Thrill" die 13 in sechs unter Par gespielt - und stellte damit den 60 Jahre alten Rekord von Jimmy Demaret ein.

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