HELIKOPTERELTERN
Um an der IMG Academy aufgenommen zu werden, braucht es weit mehr als nur einen gedeckten Scheck der Eltern. Bei der Immatrikulationsfeier der neuen Schülerinnen und Schüler müssen diese einen Schwur ablegen, der etwa so klingt: "I will acknowledge that daily excellence is a personal responsibility. I agree to commit and excel with unwavering effort, upholding accountability and standing consistent through the journey of growth." Daraufhin klatschen alle anwesenden Eltern euphorisch, Kevin tritt an das Mikrofon und verlangt auch von den Erziehungsberechtigten ein Gelöbnis. "Paraphrasiert verlange ich folgenden Schwur von den Eltern: 'Wir versprechen, den Trainern und Lehrern der Akademie nicht dazwischenzufunken, und überlassen die schulische und sportliche Ausbildung unserer Kinder den Profis, die wir dafür bezahlen.'" Es dürfte niemanden verwundern, dass die meisten Eltern diesen Schwur bereits nach wenigen Tagen brechen.
"Ich habe selbst zwei Kinder, die Golf spielen, und weiß daher sehr gut, dass Eltern dazu neigen, in einer Fantasiewelt zu leben, wenn es um die sportlichen Aussichten des eigenen Nachwuchses geht", gibt Kevin zu. "Fakt ist: Um es als fünfter Spieler gerade noch ins Golfteam an einer der besten D1-Universitäten der USA zu schaffen, braucht es einen Schlagdurchschnitt von 75,5. Mit 78,7 bekommt man mit Glück noch den fünften Roster-Spot an einem D2 College. Das ist das Minimum."
»DIE TATSACHE, DASS ALLE UNSERE 198 SCHÜLER DIE NAMEN DES PUTZPERSONALS UND DER GREENKEEPER KENNEN, IST ENORM WICHTIG. ES GIBT SCHLIESSLICH WICHTIGERE DINGE IM LEBEN, ALS EINEN GOLFBALL GERADEAUS ZU SCHLAGEN. ICH MÖCHTE KEINE SCHÜLER UNTERRICHTEN, DIE ZWAR REGELMÄSSIG EINE 72 SPIELEN, SICH SONST ABER WIE KOMPLETTE ARSCHGEIGEN BENEHMEN.«
Doch was braucht es, um wirklich an die Weltspitze zu kommen? Der Golfdirektor ist sich sicher: "Talent und Interesse am Sport reichen nicht aus, man muss besessen sein. Der Begriff 'Besessenheit' ist zwar längst negativ besetzt, doch für mich besteht Besessenheit in dem unwiderstehlichen Wunsch und Antrieb, es bis ganz nach oben zu schaffen. Coaches, die ignoranterweise denken, Besessenheit bedeute, einen heranwachsenden Athleten zunächst einmal zu brechen, in alle Einzelteile zu zerlegen und dann neu aufzubauen, müssen scheitern. Wir bilden hier keine Marines aus, schließlich ist es kein Wunder, dass viele Marines unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden."
Eine der wichtigsten Fragen, die sich potenzielle Schülerinnen und Schüler stellen, betrifft die Kosten eines Besuchs dieses weltberühmten Sportinternats. "Machen wir uns nichts vor, die IMG Academy zu durchlaufen kostet eine Menge Geld", gibt Kevin ganz offen zu. Je nach Sportart flattern den Eltern, die ihre Kinder hierherschicken, jährliche Rechnungen zwischen 86.000 und 97.000 Dollar ins Haus. Um sicherzustellen, dass die IMG Academy nicht zu einem Reichen-Ghetto wird, können Kinder, deren finanzieller Hintergrund einen Besuch hier eigentlich verwehren würde, finanzielle Hilfe durch die Akademie selbst beantragen.
"Wenn mein Recruiting-Team und ich potenzielle Schüler für unser Programm finden, die entweder über das sportliche Talent oder die persönlichen Attribute verfügen, die wir suchen, dann ist die Academy bereit, finanzielle Hilfe zu leisten", beschreibt Kevin diesen Prozess. "Wir gehen ständig auf Talentsuche. Das bedeutet aber nicht unbedingt die Suche nach den besten Golfern, sondern nach Schülern, deren Ziel ein gutes College ist und die bereit sind, dafür eine Menge zu tun und zu lernen."
Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die finanzielle Unterstützung durch die Academy bekommen, fällt in Sportarten wie Football und Basketball aus sozioökonomischen Gründen signifikant größer aus als im Golf. Doch auch im Golfprogramm gibt es mehrere Dutzend Schüler, denen die IMG Academy finanziell unter die Arme greift: "Die Gesamtsumme der finanziellen Hilfen für Schüler betrug im vergangenen Jahr 28 Millionen Dollar."
Interessanterweise treten Verhaltensprobleme in den seltensten Fällen bei Schülern aus unterprivilegierten Schichten auf, sondern sind, wenn überhaupt, bei Golfern zu beobachten, deren Eltern die vollen Studiengebühren bezahlen. Doch das kommt Kevin zufolge nur noch sehr selten vor, und um sich und den anderen Schülern diesen Ärger vom Leib zu halten, lehnte Craggs regelmäßig Bewerberinnen und Bewerber ab, wenn er nach den ersten Gesprächen überzeugt davon war, dass die Eltern nicht in das soziale Gefüge der Academy passen. "Für Eltern und Schüler mit viel Geld war das Leben bis zu diesem Punkt stets eine Transaktion. Viele glauben, sich alles kaufen zu können. Diese Denkweise passt nicht hierher. Wir haben es schließlich mit Menschen zu tun, und persönliche Entwicklung lässt sich genauso wenig kaufen wie ein guter Schlagdurchschnitt."