Mithilfe seiner Datensammlung konnte Stenzel ermitteln, wo eine Vielzahl der Golfer ihre Drives mit großer Wahrscheinlichkeit neben dem Fairway platzierten und die darauf folgende Suche nach dem verzogenen Ball unweigerlich einen Stau zur Folge hatte. Die Lösung: Neuralgische Punkte links und rechts der Drive-Landezonen werden von den Greenkeepern nun von ehemals Hard Rough auf Semi-Rough gestutzt, um die Suche zu vereinfachen. Die Markierung von Hindernissen und die Platzierung der Ausgrenzen wurde überdacht. "Auf unserem Platz gibt es beispielsweise ein Dogleg, das gerne über eine Rough-Fläche abgekürzt wird. Da sich Golfer gerne überschätzen, frisst diese Fläche enorm viele Bälle, was Suchen und Verzögerungen zur Folge hat. Also haben wir die Fläche als Wasserhindernis deklariert, was dank der neuen Regeln nun möglich ist, und es darf nach einem Ballverlust gedroppt werden. Das macht fünf Minuten Zeitersparnis pro Flight", erklärt der Marshall und stellt klar: "Den Mannschaftsspielern hat das nicht geschmeckt, aber ich habe ihnen angeboten, vor Spielen diese Markierung zu entfernen, und alle sind zufrieden. Nach dem Ligaspiel kommen die Pfähle wieder an ihre Stellen und die Spieler mit den höheren Handicaps sind entlastet."
»WIRKLICH ERNST NEHMEN GESTANDENE TOURPROFIS EINE ERMAHNUNG DES PLATZRICHTERS NICHT, WIE GEOFF OGILVY BEREITS VOR EINIGEN JAHREN ZUGAB: ,WIR WISSEN GENAU, DASS ES KEINE BEDEUTUNG HAT, WENN DER PLATZRICHTER IM CART ANGEFAHREN KOMMT UND UNS ANHÄLT, ETWAS SCHNELLER ZU SPIELEN.'«
"Als ich das erste Mal gegen einen unserer Mannschaftsspieler einen Strafschlag verhängt habe, war natürlich der Teufel los. Wo gibt es schließlich Strafschläge für langsames Spiel?", erinnert sich der ehemalige Football-Schiedsrichter. "Der Spielausschuss wurde informiert und die Aufregung war groß. Aber es hat sich herumgesprochen." Im Profigolf ist solch ein Vorgehen beinahe so selten zu beobachten wie freie Wahlen in Nordkorea. Die letzte Slow-Play-Strafe, die sich auf der Scorekarte niederschlug, wurde auf der PGA Tour 2017 verhängt, als Miguel Ángel Carballo und Brian Campbell bei der Zurich Classic einen Strafschlag aufgebrummt bekamen. Es war die erste Strafe dieser Art seit mehr als 20 Jahren. Wirklich ernst nehmen gestandene Tourprofis eine Ermahnung von Seiten des Platzrichters nicht, wie Geoff Ogilvy bereits vor einigen Jahren zugab: "Wir wissen genau, dass es keine Bedeutung hat, wenn der Platzrichter im Cart angefahren kommt und uns anhält, etwas schneller zu spielen."
Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit noch lange dauern, bis ein Spieler aus der Weltklasse wegen zu langsamen Tempos bestraft wird, zu viele wirtschaftliche Interessen der Sponsoren, übertragenden TV-Anstalten und nicht zuletzt auch der Sportwettenindustrie stecken in den USA dahinter.
Adam Scott bot sich im Vorfeld der Genesis Open in diesem Jahr jedoch als möglichen Sündenbock für seine Arbeitskollegen an: "Macht mich zum Opfer. Ich nehme die Strafe gerne an. Die Regeln funktionieren nur, wenn man sie auch durchsetzt." Der Australier stellte klar, dass sich kaum jemand um das Spieltempo scheren wird, solange kein spürbarer finanzieller Nachteil durch Strafen entsteht.
Weit weg von den Plätzen der PGA Tour hat Jens Stenzel das Problem für seine Anlage im norddeutschen Tiefland in den Griff bekommen und auch die Mitglieder haben die Fackeln, mit denen sie ihm einst noch an den Kragen gehen wollten, längst gelöscht.
Seine Informationsveranstaltungen, auf denen er Clubmitgliedern bereitwillig erklärt, warum einzelne Maßnahmen Sinn machen und was jeder einzelne Spieler tun kann, um den Spielfluss aufrechtzuerhalten, werden gut besucht. Ab und an lädt ein Turnier-Flight den Marshall mittlerweile sogar zum After-Golf-Bier ein. Man hat nicht nur Respekt vor seiner Arbeit, sondern erkennt auch, wie positiv sie sich auf den erlebten Golftag auswirkt. "Drei Stunden 52 Minuten war die Spielzeit bei einem ausgebuchten vorgabewirksamen Turnier am letzten Sonntag", betont er mit hörbarem Stolz in der Stimme. Welcher Golfer könnte dagegen etwas einwenden?