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Golfpunks dieser Welt

Betsy Rawls

Von Janek Weiss, Fotos: Getty Images

Acht Major-Titel, darunter vier US Women's Open, und 55 Siege auf der PGA Tour beschreiben nur einen Teil der beeindruckenden Karriere von Betsy Rawls. Die Amerikanerin prägte den Golfsport noch lange über ihre Profikarriere hinaus.

Im Oktober vergangenen Jahres starb Betsy Rawls im Alter von 95 Jahren, eine der Säulenheiligen des Frauengolfs und gleichzeitig eine der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten der Golfgeschichte, die sich ihres enormen Talents seit jeher bewusst war: "Ich wusste, ich würde ein Gewinner sein, und je weiter ich voranschritt, desto einfacher wurde das Gewinnen."

Wir schrieben darüber: Nur Kathy Whitworth (88), Mickey Wright (82), Louise Suggs (61) und Patty Berg (60) haben bis dato mehr Siege auf der LPGA Tour errungen. Auch heute, gut 60 Jahre später, stehen diese Marksteine früherer und wegweisender Karrieren in den Annalen des Golfsports. Einzige Ausnahme der Moderne: Annika Sörenstam, die seit ihrem Wechsel ins Profilager 1992 insgesamt 72 Einzeltitel für sich verbuchen kann und somit auf Rang drei dieser ewigen Bestenliste landet. Nichtsdestotrotz sind die Granden der LPGA Zeitgenossinnen und bis heute unerreicht in Sachen Erfolg und Wirken. Betsy Rawls wird 1951 Profi und am Ende der Laufbahn werden 55 Siege stehen.

In einer durchprofessionalisierten und spezialisierten Welt ist es nahezu unmöglich geworden, erst mit 17 Jahren mit dem Golf zu beginnen und herausragend erfolgreich zu sein, was Rawls' Karriere noch weiter aufwertet. Dabei sollte Golf anfänglich nur ein Zeitvertreib für die junge Dame aus South Carolina sein. "Ich habe Golf aus Spaß gespielt und nie daran gedacht, Profi zu werden. Dann dachte ich, Golf sei spannender als Physik, und Wilson hat mein Gehalt und weitere Ausgaben bezahlt." Ihr Salär beläuft sich auf 3.000 Dollar, was etwa einer heutigen Kaufkraft von 35.000 Dollar entspricht. Zusammen mit Patty Berg ist Betsy in den nächsten Jahren das Gesicht von Wilson Sporting Goods. Zum Teil, und das neben dem regulären Tourbetrieb, geben sie bis zu 120 Clinics im Jahr. Dafür reisen sie mit dem Auto quer durch die Staaten. Es ist die Zeit, in der sich Wilson zusammen mit seinen Athleten den Titel als erfolgreichste Marke bei den Major-Turnieren erarbeitet und später sogar zum einzigen Schlägerbauer avanciert, mit dessen Erzeugnissen Golf auf dem Mond gespielt wurde. Geschichte eben.

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ICH WUSSTE, ICH WÜRDE EIN GEWINNER SEIN, UND JE WEITER ICH VORANSCHRITT, DESTO EINFACHER WURDE DAS GEWINNEN.
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Elizabeth Earle Rawls wurde am 04. Mai 1928 in Spartanburg, South Carolina, geboren und siedelte später mit der Familie nach Arlington in Texas um. Dort folgte eine typisch amerikanische Jugend mit High School und Uni. Betsy ist wirklich gut in Physik und macht einen glänzenden Abschluss, erhält Ehrungen. Ob ihr das im Golf geholfen hat? Vermutlich, kann aber nur Spekulation bleiben. Wie erwähnt, Wilson half bei der positiv folgenschweren Entscheidung gegen die akademische Karriere. Betsy ist nun Golfprofi. Es sind die Pionierjahre, 20 Spielerinnen, 20 Turniere. Platz-Set-up, Paarungen einteilen, Statistiken, Buchhaltung: In den Anfangsjahren der LPGA sind dies Do-it-yourself-Angelegenheiten und Betsy ist mittendrin. Mickey Wright gibt Auskunft: "Betsy war immer überzeugt von der Arbeit und mit Leidenschaft Teil des Spiels. Ich kann nur zwei Frauen nennen, die ähnlich viel erreicht haben - nicht nur als Spielerinnen, mehr noch in ihrem lebenslangen Beitrag, und das sind Betsy und Patty."

Betsys ist eines von zwei Kindern von Robert Miller, einem Flugzeug-Ingenieur, und Mary Rawls. Ihr Vater spielt Golf als junger Mann in Indiana und engagiert Harvey Penick als Betsys ersten Golftrainer - den Penick, Autor der kleinen Golfbibel "Harvey Penick's Little Red Golf Book: Lessons and Teachings from a Lifetime in Golf", des bis heute meistverkauften Golflehrbuchs der Geschichte. Im Austin Country Club bezahlt Miller drei Dollar für die Stunde. Penick wird Betsys Coach bleiben, nie wieder einen Cent berechnen und an den Basics festhalten, wie Rawls später beschrieb: "Er hat mich immer wieder an die einfache Mechanik eines guten Schwungs erinnert." Vor allem aber ist es ihr kurzes Spiel, das sie von den anderen Spielerinnen abhebt. "Ich hatte den Ruf, das Up and Down aus einer Mülltonne spielen zu können. Das Sand Wedge war meine schärfste Waffe. Und ich konnte unter Druck gut putten."

1952, es ist erst ihr zweites Jahr auf der Tour, gewinnt Betsy Rawls gleich acht Turniere. "Ich erwartete dies von mir. Ich habe unter Druck gut gespielt, es hat mir nichts ausgemacht, deshalb gewann ich so oft." Ihr Erfolgshunger führt 1959 zu zehn Einzelsiegen, darunter zwei Majors. Bereits in ihrer Debütsaison hat sie die US Women's Open mit fünf Schlägen vor Louise Suggs errungen, Betsys erster Major-Titel; das Turnier wird sie am Ende viermal gewinnen. Nur Mickey Wright kann dieses Turnier ebenso oft für sich entscheiden und es spricht Bände, dass Betsy diese Leistung als ihren größten Triumph und Markstein in ihrer an Errungenschaften nicht eben armen Vita bezeichnet.

Golfpunks dieser Welt: Wanderpokal: fünf Champs, eine Trophäe
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Nur über einen Titel kann sie sich nicht richtig freuen. 1957 in Winged Foot: Jackie Pung aus Hawaii liegt mit einem Gesamtergebnis von 298 zu 299 Schlägen in Front. Dumm nur, dass deren Spielpartnerin eine Fünf anstatt einer Sechs für die vierte Spielbahn notiert hat. Ein folgenschwerer Fehler, greift doch die automatische Strafe für eine falsch eingereichte Scorekarte: Die vermeintliche Siegerin wird disqualifiziert. Die Trophäe und die 1.800 Dollar Preisgeld gehen an Rawls. Ein ikonisches Foto zeigt den Moment der Siegerehrung: Betsy lächelt gequält mit dem Pokal und die untröstliche Pung sitzt im Hintergrund, vergräbt ihr Gesicht in den Händen. "Es ist immer schön zu gewinnen, denke ich, aber sicherlich hasse ich, es auf diese Weise zu tun", so Rawls im Siegerinterview mit der United International Press. "Jackie tut mir leid!"

1960 wird Rawls erneut bei der US Women's Open triumphieren, neun Jahre nach dem Sieg in ihrer Debütsaison, und 1969 mit der LPGA Championship ihr achtes und letztes Major-Turnier holen. Ihr persönlich wichtigster Sieg, denn auch eine Seriensiegerin kann Zweifel entwickeln, ob sie nach den vielen Jahren noch das Zeug hat, die großen Turniere zu gewinnen.

Am Ende liegen zwischen ihrem ersten Triumph und dem letzten Turniersieg 1972 unglaubliche 21 Jahre. Nicht so schlecht für eine studierte Physikerin, die Golf nur zum Spaß spielen wollte. 1975 zieht sie sich als aktive Spielerin vom Turniergolf zurück. In ihrer Karriere hat sie 302.664 Dollar erspielt, das reicht heute nicht mal mehr für einen Platz unter den 450 Besten. "Ich schaue auf die Summen, um die heute gespielt wird, mit Erstaunen, aber sicher nicht mit Bitterkeit oder Neid." Im Interview mit dem "Philadelphia Inquirer" führt sie weiter aus: "Anfänglich spielten wir für so wenig; Geld war kein Motivationsfaktor. Sobald ich gewann, kam es mir dennoch wie viel Geld vor und ich habe vor allem das Siegen genossen."

Golfpunks dieser Welt: Rock im Rough: Festivalsommer 1955 (r.)Golfpunks dieser Welt: Rock im Rough: Festivalsommer 1955 (r.)
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Nach ihrer Karriere erlebt eine der Pionierinnen aus erster Hand die Entwicklungen auf der LPGA-Tour. Die Professionalisierung und das Wachstum gestaltet sie als Funktionärin entscheidend mit. Bereits zu aktiven Zeiten fungierte sie zeitweilig als Präsidentin der jungen Tour. Ab 1987 ist sie Turnierdirektorin der LPGA Championship. Eine Position, die es ihr ermöglicht, Unsummen für den guten Zweck zu sammeln. Dazu ist sie Mitglied des Regelkomitees der USGA und in dieser Funktion 1980 die erste Frau, die als oberste Regelhüterin federführend in der Ausrichtung der US Open der Männer ist.

Die Aufnahme in die Ruhmeshalle des Golfsports ist nur logische Konsequenz. Die USGA verleiht ihr den Bob Jones Award, die prestigeträchtigste Auszeichnung der Organisation, für ihren Einsatz und ihre Hingabe zu dem Sport, den sie von Beginn an mitgestaltet. Sie besiegt ihren Brustkrebs. Und Betsy Rawls schlägt noch in ihren 90er-Jahren "Wiffle-Balls" in ihrem Garten. "Jeder, der mit Golf seinen Lebensunterhalt bestreitet, kann sich glücklich schätzen!" Die heutigen Heldinnen der LPGA Tour wie Lydia Ko, Nelly Korda oder Minjee Lee werden ihrer großen Vorgängerin in dieser Hinsicht sicher nicht widersprechen.

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