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Jon Rahm

Geld spielt keine Rolle

Von Dylan Dethier, Fotos: Getty Images, Sam Greenwood, Doug DeFelice

Angeblich war den Saudis Rahms Wechsel zu LIV Golf rund eine halbe Milliarde Dollar wert. Doch das war nicht der Hauptgrund für den Spanier, seinen alten Touren den Rücken zuzukehren. Die Möglichkeit, Shorts zu tragen, war es offensichtlich auch nicht ...

Jon Rahm weiß genau, was er im Juni 2022 gesagt hat: "Geld ist großartig, aber als [meine Frau] Kelley und ich anfingen, darüber zu reden, dachten wir: Wird sich unser Lebensstil ändern, wenn ich 400 Millionen Dollar bekomme? Nein, er wird sich kein bisschen ändern." Bereits vor den US Open 2022 wurde Rahm schließlich gefragt, ob er sich einen Wechsel zu LIV Golf vorstellen könnte. "Um ehrlich zu sein, könnte ich jetzt mit dem, was ich verdient habe, in den Ruhestand gehen und ein sehr glückliches Leben führen, ohne wieder Golf zu spielen. Aus finanziellen Gründen habe ich also nie wirklich Golf gespielt. Ich spiele aus Liebe zum Spiel und möchte gegen die Besten der Welt spielen. Ich habe mich schon immer für Geschichte und Tradition interessiert und genau das hat gerade die PGA Tour."

Doch wie wir mittlerweile wissen, kann sich in 18 Monaten viel ändern, insbesondere in der heutigen Welt des Profi-Golfs. Wie im Dezember, als sich etwas, das lange gemunkelt wurde, als wahr herausstellte und Rahm für die Saison 2024 offiziell zu LIV wechselte. Natürlich war ihm vollkommen klar, dass ihm beim LIV-Medientag in Miami dieses Zitat wieder vorgehalten würde. Unser Gespräch mit dem momentan wahrscheinlich besten Golfer auf dem Planeten sollte sich aber um weitaus mehr als nur um Dollars und Politik drehen.


Jon Rahm im Exklusivinterview



Kannst du dich an den Moment erinnern, in dem du zum ersten Mal daran gedacht hast, dass Golf irgendwann einmal dein Beruf und dein Lebensmittelpunkt werden könnte?
Das müsste 2009 gewesen sein. Ich war damals 14 Jahre alt und vielleicht in den Top Five meiner spanischen Heimatprovinz. Aber das heißt nichts, schließlich gibt es dort nicht viele Golfer. Ich hatte schon an nationalen Turnieren teilgenommen, dort jedoch nie gut abgeschnitten. Dann kam im Winter 2008/09 ein plötzlicher Wachstumsschub, durch den ich viel an Länge gewonnen habe. Im Januar 2009 hab ich dann meine erste Wettkampfrunde in den 60ern gespielt und damit die U16-Meisterschaften von Spanien gewonnen. Da wurde mir schlagartig klar, dass ich gut genug bin, die Konkurrenz im eigenen Land zu schlagen.

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ICH WAR KEIN KOMPLETTER NERD, ABER VIELLEICHT EIN NERDIGER TYP, DER ORDENTLICHE NOTEN HATTE.
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Du hast also nicht wie viele andere heutige Weltklassespieler bereits im Alter von zehn Jahren an Juniorenweltmeisterschaften und Ähnlichem teilgenommen?
Oh Gott, nein! Ich habe mit acht oder neun Jahren das erste Mal einen Golfschläger in die Hand genommen und, bis ich 13 oder 14 war, jede mögliche Sportart ausgeübt. Golf hatte keine Priorität. Ich lernte dann meinen langjährigen Coach Eduardo Celles kennen, mit dem ich an vielen grundlegenden Dingen gearbeitet habe. 2010 gewann ich die Spanische U21-Meisterschaft mit sechs Schlägen Vorsprung gegen Spieler wie Sebastián García oder Adrian Otaegui, die es beide auch auf die DP World Tour schafften. Da war ich 15 Jahre alt und dachte: "Das ist sicher nicht ganz normal, dass ein 15-Jähriger gegen 20-Jährige gewinnt."

Du hast relativ lange noch andere Sportarten betrieben. Glaubst du, das hat dir in Sachen Golf geholfen?
Absolut. Natürlich trägt meine eingeschränkte Bewegungsfreiheit im rechten Fußgelenk zu meinem eigenartigen Golfschwung bei. Genauso aber auch Jai Alai, eine Variante des Pelota, das wir im Baskenland mit Holzschlägern spielen. Dabei wird der Ball mit einem Ausfallschritt geschlagen, indem man bis auf Hüfthöhe ausholt. Die Hände kommen nie höher als maximal auf Schulterhöhe und ich denke, die Parallelen zu meinem Golfschwung sind eindeutig. Gleichzeitig bin ich viel Kanu gefahren, was sehr dabei geholfen hat, ein Gefühl für die Koordination zwischen Ober- und Unterkörper zu entwickeln. Daneben stand ich beim Fußball im Tor und habe Kampfsport betrieben. Aber Kung-Fu und Fußball waren die ersten Sportarten, die ich aufgegeben habe, als Golf wichtiger wurde.

Was, glaubst du, hat dir dabei geholfen, dich auf dem Golfplatz und nicht in anderen Disziplinen durchzusetzen?
In Rafael Nadals Buch habe ich einen Satz gelesen, der hängen geblieben ist. Auf mich übertragen: "Ich war ein Wettkämpfer, bevor ich ein Golfer wurde." Sich mit anderen zu messen hat mir schon immer sehr gefallen. Als Junioren haben wir uns beim Training kleine Wettspiele ausgedacht. Wir hatten zum Beispiel ein hohes Netz auf der rechten Seite unserer Driving Range und haben uns ständig gebattelt, wer den mächtigsten Hook schlagen kann, der außerhalb des Netzes startet und dann zurück auf der Range landet. Das war ein großer Spaß und hat uns den ganzen Tag beschäftigt.

Golfer zählen nicht gerade zu den populärsten Kids in der Schule. Oder war das bei dir anders und die Tatsache, dass du gut Golf gespielt hast, hat dir Respekt eingebracht?
Teil der coolen Kids war ich definitiv nicht. [lacht] Die coolen Jungs in meiner Schule haben oft auch Dinge gedreht, zu denen ich nicht bereit gewesen wäre. Ich war kein kompletter Nerd, aber vielleicht ein nerdiger Typ, der ordentliche Noten hatte und gerne Sport getrieben hat.

Machen wir einen großen Sprung an die Weltspitze. Was war der größere Moment für dich: dein erster Major-Sieg bei den US Open 2021 oder der Triumph beim Masters 2023?
Beide Siege unterschieden sich sehr, aber der Masters-Sieg fühlte sich noch größer an. Bei den US Open gelang mir nach einem Rückstand noch der Sieg, weil ich wirklich gut gespielt habe und Louis Oosthuizen einen Fehler machte. Beim Masters letztes Jahr war ich die ganze Zeit in der Spitzengruppe mit dabei, habe am Sonntag in der letzten Paarung gespielt und auch eine ganze Weile in Führung gelegen. Dazu kommt die große spanische Tradition beim Masters mit den drei großartigen Spaniern, die in Augusta vor mir gewinnen konnten. Mein Sieg fiel auf den 40. Jahrestag von Seves zweitem Grünen Jackett, was gleichzeitig auch sein Geburtstag war. Zudem war es der zehnte spanische Major-Sieg. Es sind viele dieser Kleinigkeiten, die meinen Masters-Sieg verglichen mit anderen Titeln auf eine andere Eben heben.

Jon Rahm: Vertragsverhandlungen: besser ohne Lautsprecher
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Woran kannst du dich noch an diesem Sonntag erinnern? Es war ein echter Marathon und du bist mit zwei Schlägen Rückstand auf Brooks Koepka in die letzte Runde gestartet.
In Runde drei hatte ich auf dem siebten Grün sogar vier Schläge Rückstand. Doch dann spielte Brooks ein Bogey und ich Birdie, was das Defizit halbierte. Als wir am Sonntagmorgen die dritte Runde zu Ende spielen mussten, spielte ich das schlechteste Golf meiner gesamten Woche. Glücklicherweise spielte Brooks ebenfalls nicht gut. Die Finalrunde war dann phänomenal. Bei diesen Windverhältnissen bogeyfrei zu bleiben war unglaublich! Einen einzelnen Moment aus dieser Runde herauszuheben ist schwierig. Es war natürlich toll, auf Bahn 6 die alleinige Führung zu übernehmen, aber danach kamen noch viele Schläge, die das Ganze so viel besser gemacht haben.

Dein Gegner war der wahrscheinlich größte Major-Champion dieser Generation: Brooks Koepka. Von außen betrachtet hatte ich den Eindruck, dass du mit einigen kleinen Gesten auch klarstellen wolltest, dass du jetzt der Platzhirsch bist…
Bevor du weitersprichst: Ich habe während dieser Runde an nichts anderes gedacht als daran, was ich tun müsste, um zu gewinnen. Ich bin einfach meiner Routine nachgegangen und habe sicher keine Psychospielchen gespielt. Dafür habe ich zu viel Respekt vor Brooks. Ich meine im Ernst: Er hat neun Turniere auf der PGA Tour gewonnen und fünf davon sind Majors. Das ist absolut unglaublich!

Wann wurde dir die Tragweite deines Masters-Siegs bewusst?
Schon sehr früh wurde mir gesagt, dass sich mit einem Sieg beim Masters alles ändert. Und das stimmt auch. Besonders in der Öffentlichkeit spüre ich das deutlich. Der Jubel und der Respekt, den mir die Fans entgegenbringen, ist hör- und spürbar gestiegen. Der beste Moment war, als ich am nächsten Morgen ein Bild von mir im Grünen Jackett an einen Freund schickte und eine Fotomontage zurückkam, auf der Seve und ich auf dem 18. Grün Hände schütteln. Da wurde mir klar, wie enorm das alles für den spanischen Golfsport war. Ich werde heute noch emotional, wenn ich daran denke.

Es ist fast komisch, dass du nun in deiner LIV-Teamuniform hier sitzt, denn damals entstand von außen betrachtet das Bild, dass ein LIV- gegen einen PGA-Tour-Spieler antritt. Ihr beide habt dazu zwar nicht aktiv beigetragen, aber hattest du als Beteiligter auch diesen Eindruck?
Nein, wirklich nicht. Die Medien haben versucht, diesen Aspekt hervorzuheben, mich hat das jedoch nicht interessiert. Ich hatte Brooks vor mir auf dem Leaderboard und Phil, Patrick Reed und Jordan Spieth hinter mir. Das sind drei ehemalige Champions und der beste Major-Spieler der vergangenen Jahre. Da muss ich keinen Gedanken an andere Narrative verschwenden. Brooks und ich haben nicht daran gedacht, auf welcher Tour wir spielen. Wir wollten das Turnier gewinnen und haben zu viel Respekt füreinander für so etwas.

 
Steckbrief

Steckbrief

NAME
Jon Rahm Rodríguez

ALTER
29 Jahre

WOHNORT
Scottsdale, Arizona

PROFI SEIT
2016

LIEBLINGSVEREIN
Athletico Bilbao

ERFOLGE (AUSZUG)
2017
Farmers Insurance Open (PGA)
Dubai World Tour Championship (DP World Tour)
2018 & 2022
Open de España (DP World Tour)
2020
Memorial Tournament (PGA)
2021
U.S. Open Championship (PGA)
2023
Masters Tournament (PGA)

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