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Custom Fitting

Kämpfst du noch oder spielst du schon?

Von Moritz Plingen

Wer profitiert stärker von maßgeschneiderten Golfschlägern: Profi oder Amateur? Bei den Experten von HIO Fitting war diese Frage schnell beantwortet.

Es braucht keinen geschulten Club-Fitter-Blick, um zu erkennen, dass hier etwas nicht stimmt, schließlich wirkt das Eisen 7 in Jonas Kölbings Händen wie ein Zahnstocher. Mit angezogener Handbremse schlägt er Bälle gegen die Leinwand bei HIO Fitting in München und gibt sich dabei mehr Mühe, den Schaft nicht abzubrechen, als sich um die Flugrichtung seiner Bälle zu scheren.

Was soll das Ganze? Warum einen Top-Golfer, der einst mit Handicap +4,1 ins Profilager wechselte und drei Jahre auf der Challenge Tour spielte, mit dem für ihn gänzlich unpassenden Werkzeug einer 1,60 Meter großen Amateurspielerin konfrontieren, die grob geschätzt die Hälfte seines Kampfgewichts auf die Waage bringt und ein Handicap von 15 auf dem DGV-Ausweis stehen hat?

"Erstens macht es Spaß, Jonas mit etwas auf den ersten Blick völlig Schwachsinnigem aus der Reserve zu locken", grinst Fabian Wagner, Master Fitter bei HIO Fitting, "aber zweitens hat der Versuch auch einen ernsthaften Hintergrund. Schließlich zeigen uns die Daten, welcher Golftyp wie stark von Custom-Fitting profitiert."

AKTEURE


Jonas KÖLBING

PRO

Aktuelles Eisen:
PXG 0317 ST

Schäfte:
Nippon Tour Modus XX

"In Sachen Material bin ich sehr wählerisch und es gibt Marken, die ich nicht anfassen würde, selbst wenn die Schläger perfekte Werte liefern würden. Als längjähriger Berufs-Golfer hat man eben Vorlieben entwickelt."

Anna WELS

HCP 15

Aktuelles Eisen:
Helix 023LS

Schäfte:
Accra SRT Custom Pink

"Wenn der Schläger passt, fällt es mir viel leichter, das Optimale aus meiner begrenzten Kraft und kleineren Körpergröße herauszuholen. Ich spüre sofort, dass das Beschleunigen eines gefitteten Eisens viel einfacher ist."

Fabian WAGNER

Master Fitter

"Die Grafik unten zeigt deutlich, dass Anna mit den nicht auf sie gefitteten Schlägern viel größere Probleme hat, die Richtung zu kontrollieren. Amateure profitieren oft viel mehr vom Fitting als Profis und sehr gute Spieler. Auch die Verletzungsprävention spielt beim Fitting eine Rolle, schließlich führt falsches Material nicht selten zu Ellenbogen-, Handgelenks- oder Schulterschmerzen."

ANNA

CLUBBall SpeedHead SpeedLaunch AngleBackspinEfficiencyCarryTotal
i7 ANNA FITTED92.6 MPH68.8 MPH20.6° DEGREES4960 RPM1.35 RATIO115 METER127 METER
i7 JONAS FITTED86.0 MPH66.8 MPH19.6° DEGREES4207 RPM1.29 RATIO100 METER114 METER
i7 NOT FITTED92.2 MPH69.2 MPH17.8° DEGREES3862 RPM1.33 RATIO111 METER126 METER

JONAS

CLUBBall SpeedHead SpeedLaunch AngleBackspinEfficiencyCarryTotal
i7 JONAS FITTED129.9 MPH99.1 MPH16.6° DEGREES6373 RPM1.31 RATIO173 METER183 METER
i7 ANNA FITTED126.0 MPH91.2 MPH13.4° DEGREES5430 RPM1.38 RATIO171 METER182 METER
i7 NOT FITTED131.8 MPH98.3 MPH15.3° DEGREES5775 RPM1.34 RATIO179 METER190 METER

Anna, die in der Damenmannschaft des Golfclub Feldafing spielt und in diesem "Pro vs. Amateur"-Fitting-Versuch den Amateur-Part übernimmt, leidet bei jedem von Jonas' Schlägen mit ihrem Eisen mit. Fabian interpretiert derweil die ersten Daten: "Egal welches Eisen 7 ich Jonas in die Hand drücke, nach ein paar Probeschwüngen kann er es 180 Meter weit schlagen. Aber mit diesem unpassenden Schläger zeigt sich: Manchmal kommt ein Draw, manchmal ein Fade... Damit kann er nicht zufrieden sein, denn das liegt ausschließlich am Material."

Der Golf-Pro hat schnell genug von dieser Spielerei und wechselt zu einem Eisen, wie es die großen Marken als Standardausführung anbieten. Zumindest die Schaftlänge stimmt nun also. "Ich schlage mein Eisen 7 normalerweise 174 Meter weit und es kommt mir beim Fitting darauf an, diese Zahl mit einem Standardschwung so einfach wie möglich zu erreichen", erklärt er, bevor er die ersten Bälle damit prügelt.

Custom Fitting:
174 Meter Carry-Weite erreicht Jonas auch mit dem zweiten Eisen schnell, doch seine Miene erhellt sich nicht wirklich. "Mit dem Schläger von der Stange fühle ich mich ebenfalls unwohl. Das Schwunggewicht stimmt nicht, der Schaft ist zu weich und ich kann nicht fühlen, wo sich der Kopf im Schwung befindet, was zu einer offenen Schlagfläche führt." Da der Torque und der Kick des Schafts nicht zu Jonas' enormer Schlägerkopfgeschwindigkeit passen, würde er mit diesem Eisen viele Pulls und nicht seinen gewohnten Fade schlagen.

"Ich spüre hier sofort, dass der Lie-Winkel nicht stimmt, denn ich spiele meine gefitteten Eisen stets mit einem 3° steileren Lie als üblich", analysiert Jonas die Tatsache, dass es ihm schwerfällt, mit dem Eisen von der Stange die Mitte der Schlagfläche zu finden.

Als ehemaliger Tour-Pro hat der Bayer bereits unzählige Fittings durchlaufen und kennt seinen Schwung in- und auswendig. Mit einer Schwunggeschwindigkeit von bis zu 130 mph wird die Auswahl an Schlägerköpfen und Schäften ohnehin recht dünn. "Mittlerweile ist ein Fitting-Prozess für mich sehr einfach, da für meine Schwunggeschwindigkeit nur zwei oder drei Schäfte infrage kommen. Ich weiß zum Beispiel, dass ich einen Project-X-Schaft nicht ausprobieren muss, da dieser einen zu steilen Launch-Winkel und zu wenig Spin generiert", fachsimpelt Jonas und Fabian stimmt nickend zu. Endlich beim perfekt auf ihn angepassten PXG Blade mit Nippon-Tour-Modus-XX-Schaft und korrektem Lie-Winkel angekommen, benötigt Jonas dann keine Probeschwünge mehr und schlägt den Ball bereits beim ersten Versuch mit dem gewünschten Shape auf die optimale Länge.

Als Nächstes ist Anna an der Reihe und Fabian erklärt, wie ein Fitting für Amateur-Golfer aller Spielstärken bei HIO beginnt: "Wir machen zunächst eine Bestandsaufnahme mit den Schlägern, die unsere Kunden im Moment spielen. In Annas Fall stimmte das Schwunggewicht ihrer Eisen von vornherein, aber die Standardlänge der Schäfte war bei 1,60 Metern Körpergröße alles andere als optimal."

Custom Fitting: Straßen-Gang: drei toughe Schläger (r.)Custom Fitting: Straßen-Gang: drei toughe Schläger (r.)
Straßen-Gang: drei toughe Schläger (r.)
Kein Wunder, dass Anna unter den drei zur Auswahl stehenden Eisen zielgerichtet zum auf sie abgestimmten Modell greift. "Ich spiele seit neun Jahren Golf und die meiste Zeit davon hatte ich Schläger mit normalen Schaftlängen. Durch diese viel zu langen Schläger hatte ich keinen Platz für einen ordentlichen Schwung und die Hände waren im Treffmoment viel zu hoch. Erst seit ich einen Eisen-Satz mit gefitteten Schäften spiele, ist mir klar geworden, wie sehr mich die davor gespielten unpassenden Schlägersätze beim Schwung behindert haben."

Doch es war nicht nur die um eineinhalb Zoll zu lange Schaftlänge, an die die Fitter bei Annas Eisen Hand anlegten. "Sie profitiert nun von kürzeren, aber auch leichteren Schäften", erklärt Fabian: "Für eine zierliche Person entwickelt Anna eine wirklich hohe Schwunggeschwindigkeit und deshalb haben wir ihren mit 40 Gramm sehr leichten Schaft vorne an der Tip-Sektion um ein Inch gekürzt. Obwohl es sich um eine Damenmodell handelt, sind Annas Eisen-Schäfte von der Stabilität her nun Senior-Schäfte, spielen sich also etwas fester." Annas 93 Meilen pro Stunde Ballgeschwindigkeit liegen deutlich über dem Durchschnitt, ihr Schwung ist also ein echter Spezialfall und sie profitiert daher doppelt von gefitteten Schlägern: nicht nur aufgrund ihrer Körpergröße, sondern auch wegen ihrer Geschwindigkeit.

"Das erste Mal im Turnier mit den gefitteten Eisen zu spielen war ein echtes Aha-Erlebnis. Seit ich mich nicht mehr mit den falschen Schlägern herumplagen muss, fühlt sich Golf weniger verkrampft an. Ich weiß, dass ich mich auf mein Material verlassen und Vollgas geben kann."

Custom Fitting:
Jonas, der schon die wildesten Amateurschwünge gesehen hat und weiß, wo deren Ursprung zu suchen ist, fügt hinzu: "Als Golflehrer sehe ich bei kleineren Golfern immer wieder denselben Fehler: Sie haben alle eine viel zu weite Bewegung während der ersten Hälfte des Rückschwungs, um Platz zu schaffen für das zu große Equipment. Damit ist der Schwung schon von Beginn an auf der falschen Spur. Das zeigt, dass passendes Material bei Anfängern noch wichtiger ist und mit Sicherheit einen größeren Effekt hat als bei Profis."

Natürlich kommt auch Anna nicht drum herum, sich mit dem für sie alles andere als optimalen Material zu beweisen, und die viel zu langen Standardeisen sehen in ihren Händen nicht weniger bizarr aus als die kurzen Damen-Eisen zuvor bei Jonas. "Mit dem ungefitteten Schläger muss ich weiter weg vom Ball stehen. Das fühlt sich völlig falsch an, obwohl ich das Eisen 7 von der Stange noch halbwegs bewegen und den Ball einigermaßen geradeaus schlagen kann. Jonas' Blade mit dem viel zu schweren Schaft ist ein Witz, ich falle nach dem Treffmoment fast um."

Die Fliehkräfte des Blade sind tatsächlich so groß, dass Anna im Durchschwung Probleme hat, die Balance zu halten, und ihr Golfschwung deshalb wie ein Baseball-Pitch anmutet. "Wir sehen in den Daten viel größere Abweichungen in der Länge und der Richtung. An diesem Schläger stimmen lediglich drei Faktoren nicht: Schwunggewicht, Schaftlänge und Griffdicke. Das reicht aber, um einem Amateur-Golfer das Leben enorm schwer zu machen. Dass Jonas' Eisen für Anna keinen Sinn macht, dürfte klar sein...", erklärt Fabian und erlöst Anna von ihrem Leiden, die sofort wieder zu ihrem gefitteten Eisen greift und wieder gerade Bälle schlägt.

 

HIO FITTING

Vom Driver bis zum Putter kann bei HIO Fitting in München jeder Schläger im Bag auf jeden Schwung perfekt zugeschnitten werden. Von Titleist, TaylorMade, Cobra, PXG, Miura, Honma, Tour Edge Exotics, Helix sowie Vega sind Eisen- Sätze ab 800 Euro und Driver ab 350 Euro als Custom-Ware zu haben, für die es nichts weiter als ein etwa zwei Stunden dauerndes Fitting mit einem der Experten von HIO braucht. Alle weiteren Informationen unter: www.hio-fitting.de

"Am wichtigsten ist natürlich die Länge der Schäfte. Aber auch die Farbe der Schäfte und Griffe ist mir sehr wichtig", stellt Anna klar und auch Fabian weiß, wie wichtig subjektive Faktoren beim Golf-Equipment sind: "Wer mit Freude einen Golfschläger aus dem Bag zieht, weil die Optik gefällt, wird damit besser spielen. Genauso wie wir uns in Klamotten, die wir mögen, wohler fühlen und selbstbewusster auftreten, verhält es sich auch mit der Golfausrüstung."

Als sämtliche Bälle geschlagen und alle Schläger getestet sind, fasst Fabian beim abschließenden Kaffee an der Bar mit Blick auf die hauseigene Schlägermanufaktur die gewonnenen Daten und Eindrücke zusammen: "Allein die 30 Zentimeter Unterschied in der Körpergröße geben einem Fitter bei Anna und Jonas schon eine grobe Idee, was der erste Schritt sein sollte. Das heißt aber nicht, dass durchschnittlich große Golfer automatisch auch Standardschläger spielen sollten. Viel entscheidender als die Körpergröße sind der Handgelenk-Boden-Abstand und die Größe der Hände. Vergleicht man die Zahlen, die Jonas und Anna mit den drei Eisen gesammelt haben, fällt auf, dass die Unterschiede bei Anna deutlich größer ausfallen als bei Jonas. Mit anderen Worten: Je höher das Handicap ausfällt, desto gravierender sind die Vorteile, die gefittete Schläger ihren Besitzern bieten. Deshalb ist unser Durchschnittskunde auch 55 Jahre alt und spielt mit Hcp. 22." Und mit der Direktheit eines Golflehrers, der die klassischen Ausreden seiner Schüler schon viel zu oft gehört hat, bringt Jonas die Erkenntnis unseres Fitting-Experiments auf den Punkt: "Wenn mir Golfanfänger im Unterricht sagen: ,Bevor ich zum Fitting gehe, muss sich erst mal mein Schwung stabilisieren', dann kann ich nur sagen: 'Quatsch! Gerade du profitierst von Schlägern, die dir das Leben leichter machen!"

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